Wir hatten uns hier im Blog ja schon einmal mit der juristischen Möglichkeit des Austritts eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Währungsunion beschäftigt.
Wie man hört, ist das Thema jetzt wieder aktuell geworden, denn einige EU-Staaten verlangen angesichts der anhaltenden Finanzkrise, dass Griechenland die Eurozone verlassen möge (vgl. die Meldung auf der Website des französischen Wirtschaftsmagazins L´Expansion , in französischer Sprache).
Gleichzeitig hat laut L´Expansion die EU-Kommission erklärt, dass der Vertrag von Lissabon keinen Austritt aus der Währungsunion vorsehe und dass die Mitgliedschaft in der Eurozone unwiderruflich sei.
Da anzunehmen ist, dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge (Art. 17 EUV) Art. 50 EUV kennt, der jedem Mitgliedstaat das Recht gibt, aus der Europäischen Union auszutreten, ist ihre Aussage wohl so zu verstehen, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht aus der Währungsunion austreten kann, ohne gleichzeitig auch aus der EU insgesamt auszutreten. Denn ein Austritt aus der EU würde den Austritt aus der Eurozone miteinschließen, da die Eurozone nur im Rahmen der EU existiert, oder anders ausgedrückt, die Eurozone eine Teilmenge der EU darstellt.
Somit ist also festzuhalten, dass ein Mitgliedstaat, der den Euro aufgeben will, dies nicht gesondert tun kann, sondern vielmehr ganz aus der EU austreten muss, eine Maßnahme, die kraft Art. 50 EUV ausdrücklich erlaubt ist.
Einen völligen Rückzug Griechenlands aus der EU wünscht aber niemand.
Wie also könnte dieses Dilemma gelöst werden?
Vielleicht so:
Griechenland tritt pro forma aus der EU aus, in der nächsten Sekunde aber gleich wieder ein, allerdings mit dem Vorbehalt, dass es genauso wie Dänemark und Großbritannien der Eurozone zumindest vorläufig fernbleiben wird.
Zwar erfolgt ein erneuter Beitritt eines zuvor ausgetretenen Landes gem. Art. 50 Abs. 5 EUV gemäß dem allgemeinen Beitrittsprozedere des Art. 49 EUV, das auch für erstmalige Beitrittsaspiranten gilt und sowohl einen positiven Beschluß des Rates und des Europäischen Parlaments als auch die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten vorsieht.
Dieses Verfahren scheint auf den ersten Blick sehr zeitaufwändig zu sein, so dass Griechenland nicht, wie oben vorgeschlagen, "in der nächsten Sekunde" wieder beitreten könnte.
Allerdings ist zu bedenken, dass sich abgesehen von der Zugehörigkeit zur Eurozone nichts an Griechenlands Mitgliedschaftsbedingungen ändern würde, es also diesbezüglich keiner neuen Verhandlungen bedürfte.
Deshalb könnten die oben genannten, in Art. 49 EUV vorgesehenen Entscheidungen der europäischen Gesetzgebungsorgane und der nationalen Parlamente schon vorab oder zumindest zugleich mit dem ja rein formalen Austritt Griechenlands aus der EU vorliegen, so dass das Land tatsächlich in der nächsten Sekunde schon wieder EU-, aber eben nicht mehr Eurozonenmitglied, wäre.
Anzumerken ist, dass die vorstehenden Überlegungen rein rechtstechnischer Natur sind und wirtschaftliche bzw. politische Bedenken hinsichtlich eines solchen Vorgehens hier nicht erörtert werden sollen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Sonntag, 11. September 2011
Donnerstag, 2. Juni 2011
Vom Pariser Vertrag (1952) hin zur heutigen EU
Im letzten Beitrag wurden die Vorgängerorganisationen der EU beschrieben.
Heute wollen wir uns einen Überblick über die Entwicklung der sogenannten europäischen Integration vom Jahre 1952 bis heute unter dem Blickwinkel der Aufeinanderfolge bzw. des Nebeneinanders der Verträge, auf denen die Integration beruht, verschaffen.
1952 Pariser Vertrag
Durch diesen Vertrag gründen Frankreich, Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).
1957 Römische Verträge
Die oben genannten Staaten gründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Euratom.
1965 Fusionsvertrag
Die Organe der EGKS, der EWG und von Euratom werden zusammengelegt. Es gibt ab diesem Zeitpunkt also nur noch eine einzige Kommission, einen einzigen Gerichtshof, eine einzige Versammlung (Vorläufer des Parlaments) usw., die dann eben jeweils für alle drei Organisationen zuständig sind.
1973 Beitrittsverträge
Dänemark, Großbritannien und Irland treten den Europäischen Gemeinschaften bei.
1981 Beitrittsvertrag
Griechenland wird Mitglied der Europäischen Gemeinschaften.
1986 Beitrittsverträge
Spanien und Portugal treten den Europäischen Gemeinschaften bei.
1986 Einheitliche Europäische Akte
Damit wird der erste Schritt hin zu einer nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele verfolgenden Organisation getan.
Das zeigt sich unter anderem an einer Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und dem Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis bei bestimmten Ratsentscheidungen.
1993 Vertrag von Maastricht
Der mit der Einheitlichen Europäischen Akte begonnene Politisierungsprozeß wird fortgesetzt. Hier erscheint nun auch zum ersten Mal der Begriff der Europäischen Union, und zwar als Bezeichnung für den institutionellen Rahmen, der die EGKS, die EWG und Euratom beinhaltet.
Außerdem werden die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik europäisiert, allerdings verbleiben diese Bereiche dabei vorerst in der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Zwecks theoretischer Durchdringung dieser nunmehr heterogenen Organisationsstruktur wird das sogenannte Dreisäulen-Modell entwickelt, demzufolge die EU als Dach auf drei Säulen ruht, nämlich auf den immer schon supranational organisierten Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom), auf der Innen- und Justizpolitik und auf der Außenpolitik, wobei die beiden letztgenannten Säulen, wie gesagt, vorerst auf der Ebene der insoweit zusammenarbeitenden nationalen Regierungen verbleiben.
Ferner wird im Vertrag von Maastricht auch der Grundstein für die Währungsunion gelegt.
1995 Beitrittsverträge
Österreich, Schweden und Finnland werden Mitglieder der EU.
1999 Vertrag von Amsterdam
Dieser Vertrag bringt eher unbedeutende Weiterentwicklungen der im Vertrag von Maastricht vorgegebenen Entwicklung einer politischen Union.
2003 Vertrag von Nizza
In Nizza werden kleine Änderungen der Organisationsstruktur der EU vereinbart, die die bevorstehene territoriale Ausdehnung nach Osten erleichtern sollen.
2004 Beitrittsverträge
Es treten bei: Malta, Zypern, Slowenien, Ungarn, die Slowakei, Tschechien, Polen, Litauen, Lettland und Estland.
2007 Beitrittsverträge
Rumänien und Bulgarien treten bei.
2009 Vertrag von Lissabon
Der ursprünglich als Verfassung für die EU geplante Vertrag von Lissabon brachte das "Verschwinden" der Europäischen Gemeinschaften und die Auflösung des Dreisäulen-Modells mit sich. Letzteres bedeutet, dass die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik von der völkerrechtlichen auf die supranationale Ebene überführt wurden. Ferner wurde die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit im Rat zur Standardmethode bei der Abstimmung erklärt u.v.m.
Zum Vertrag von Lissabon gibt es natürlich noch viel mehr zu sagen.
Interessanter und brisanter könnte aber die weitere Entwicklung werden, denn die gegenwärtige Euro-Krise könnte ja zu einem Wendepunkt werden, der entweder weitere Integrationsschritte, etwa in Form der Abschaffung der nationalen Haushaltshoheit, oder aber eher das Gegenteil bringt ...
Autor: RA Sven Ringhof, www.prilaro.de
P.S.: Hinsichtlich des neu geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist der sehr informative Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Norbert Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, S.1398 ff. (Heft Nr. 20 vom 12.Mai 2011) sehr zu empfehlen.
Heute wollen wir uns einen Überblick über die Entwicklung der sogenannten europäischen Integration vom Jahre 1952 bis heute unter dem Blickwinkel der Aufeinanderfolge bzw. des Nebeneinanders der Verträge, auf denen die Integration beruht, verschaffen.
1952 Pariser Vertrag
Durch diesen Vertrag gründen Frankreich, Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).
1957 Römische Verträge
Die oben genannten Staaten gründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Euratom.
1965 Fusionsvertrag
Die Organe der EGKS, der EWG und von Euratom werden zusammengelegt. Es gibt ab diesem Zeitpunkt also nur noch eine einzige Kommission, einen einzigen Gerichtshof, eine einzige Versammlung (Vorläufer des Parlaments) usw., die dann eben jeweils für alle drei Organisationen zuständig sind.
1973 Beitrittsverträge
Dänemark, Großbritannien und Irland treten den Europäischen Gemeinschaften bei.
1981 Beitrittsvertrag
Griechenland wird Mitglied der Europäischen Gemeinschaften.
1986 Beitrittsverträge
Spanien und Portugal treten den Europäischen Gemeinschaften bei.
1986 Einheitliche Europäische Akte
Damit wird der erste Schritt hin zu einer nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele verfolgenden Organisation getan.
Das zeigt sich unter anderem an einer Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und dem Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis bei bestimmten Ratsentscheidungen.
1993 Vertrag von Maastricht
Der mit der Einheitlichen Europäischen Akte begonnene Politisierungsprozeß wird fortgesetzt. Hier erscheint nun auch zum ersten Mal der Begriff der Europäischen Union, und zwar als Bezeichnung für den institutionellen Rahmen, der die EGKS, die EWG und Euratom beinhaltet.
Außerdem werden die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik europäisiert, allerdings verbleiben diese Bereiche dabei vorerst in der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Zwecks theoretischer Durchdringung dieser nunmehr heterogenen Organisationsstruktur wird das sogenannte Dreisäulen-Modell entwickelt, demzufolge die EU als Dach auf drei Säulen ruht, nämlich auf den immer schon supranational organisierten Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom), auf der Innen- und Justizpolitik und auf der Außenpolitik, wobei die beiden letztgenannten Säulen, wie gesagt, vorerst auf der Ebene der insoweit zusammenarbeitenden nationalen Regierungen verbleiben.
Ferner wird im Vertrag von Maastricht auch der Grundstein für die Währungsunion gelegt.
1995 Beitrittsverträge
Österreich, Schweden und Finnland werden Mitglieder der EU.
1999 Vertrag von Amsterdam
Dieser Vertrag bringt eher unbedeutende Weiterentwicklungen der im Vertrag von Maastricht vorgegebenen Entwicklung einer politischen Union.
2003 Vertrag von Nizza
In Nizza werden kleine Änderungen der Organisationsstruktur der EU vereinbart, die die bevorstehene territoriale Ausdehnung nach Osten erleichtern sollen.
2004 Beitrittsverträge
Es treten bei: Malta, Zypern, Slowenien, Ungarn, die Slowakei, Tschechien, Polen, Litauen, Lettland und Estland.
2007 Beitrittsverträge
Rumänien und Bulgarien treten bei.
2009 Vertrag von Lissabon
Der ursprünglich als Verfassung für die EU geplante Vertrag von Lissabon brachte das "Verschwinden" der Europäischen Gemeinschaften und die Auflösung des Dreisäulen-Modells mit sich. Letzteres bedeutet, dass die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik von der völkerrechtlichen auf die supranationale Ebene überführt wurden. Ferner wurde die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit im Rat zur Standardmethode bei der Abstimmung erklärt u.v.m.
Zum Vertrag von Lissabon gibt es natürlich noch viel mehr zu sagen.
Interessanter und brisanter könnte aber die weitere Entwicklung werden, denn die gegenwärtige Euro-Krise könnte ja zu einem Wendepunkt werden, der entweder weitere Integrationsschritte, etwa in Form der Abschaffung der nationalen Haushaltshoheit, oder aber eher das Gegenteil bringt ...
Autor: RA Sven Ringhof, www.prilaro.de
P.S.: Hinsichtlich des neu geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist der sehr informative Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Norbert Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, S.1398 ff. (Heft Nr. 20 vom 12.Mai 2011) sehr zu empfehlen.
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Mittwoch, 18. Mai 2011
Die Vorgänger der EU
Manche träumen von der Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa", andere möchten dagegen hinter den Vertrag von Maastricht (dazu mehr beim nächsten Mal, in zwei Wochen) zurückkehren ...
Verschaffen wir uns deshalb auf die Schnelle einen kurzen Überblick über die institutionelle Entwicklung der "europäischen" Integration von den Anfängen bis zum heutigen Tage!
Verschaffen wir uns deshalb auf die Schnelle einen kurzen Überblick über die institutionelle Entwicklung der "europäischen" Integration von den Anfängen bis zum heutigen Tage!
Die Vorgängerorganisationen der EU
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)
gegründet im Jahre 1952, beendet im Jahre 2002;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
gegründet im Jahre 1957, umbenannt in Europäische Gemeinschaft (EG) im Jahre 1993, im Jahre 2009 in der Europäischen Union (EU) aufgegangen;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM)
gegründet im Jahre 1957, besteht formal weiter, faktische Integration in die EU;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Gemeinschaften
Sammelbezeichnung für EGKS, EWG und Euratom
Europäische Union (EU)
geschaffen im Jahre 1993 als Überbau für die Europäischen Gemeinschaften;
nimmt im Jahre 2009 die E(W)G in sich auf und wird verrechtlicht
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
gegründet im Jahre 1952, beendet im Jahre 2002;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
gegründet im Jahre 1957, umbenannt in Europäische Gemeinschaft (EG) im Jahre 1993, im Jahre 2009 in der Europäischen Union (EU) aufgegangen;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM)
gegründet im Jahre 1957, besteht formal weiter, faktische Integration in die EU;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien
Europäische Gemeinschaften
Sammelbezeichnung für EGKS, EWG und Euratom
Europäische Union (EU)
geschaffen im Jahre 1993 als Überbau für die Europäischen Gemeinschaften;
nimmt im Jahre 2009 die E(W)G in sich auf und wird verrechtlicht
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Dienstag, 3. Mai 2011
Die Europäische Zentralbank
Die Europäische Währungsunion kommt nicht zur Ruhe.
Grund genug für uns einen nüchternen, da rein juristischen, Blick auf das Herz der Währungsunion, die Europäische Zentralbank (EZB), zu werfen.
Grund genug für uns einen nüchternen, da rein juristischen, Blick auf das Herz der Währungsunion, die Europäische Zentralbank (EZB), zu werfen.
Die Europäische Zentralbank
Was ist die Europäische Zentralbank? Wo befindet sie sich?
Die EZB ist ein Organ der EU (Art. 13 Abs. 1 EUV). Ihr Sitz befindet sich in Frankfurt am Main.Wie ist die Europäische Zentralbank intern aufgebaut?
Sie besteht aus dem
- sechsköpfigen Direktorium,
- dem Rat der Europäischen Zentralbank, dem das soeben erwähnte Direktorium und die
Präsidenten der Zentralbanken der Euro-Länder* angehören,
- dem Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank, dem der Präsident und der Vizepräsident
des Direktoriums sowie die Präsidenten aller nationalen Zentralbanken der EU, also auch
denjenigen der Länder, die den Euro noch nicht eingeführt haben, angehören.
So weit, so verständlich. Ein bißchen kompliziert wird es dadurch, dass es auch noch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gibt, das aus der EZB und allen nationalen Zentralbanken besteht (Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Seine vorrangige, wenn auch nicht ausschließliche Aufgabe ist die Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 und 3 AEUV). Ferner existiert auch noch das Eurosystem, gebildet aus der EZB und den Zentralbanken der Euro-Staaten*. Dem Eurosystem obliegt die Währungspolitik der Union (Art. 282 Abs. 1 Satz 2 AEUV).
* Länder, deren Währung der Euro ist:
Irland, Finnland, Estland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal,
Italien, Deutschland, Österreich, Slowakei, Slowenien, Griechenland, Zypern, Malta
Welche Aufgaben haben die Unterorgane der Europäischen Zentralbank?
Der Rat der Europäischen Zentralbank ist zuständig für die Festlegung der Geldpolitik.
Das Direktorium führt die Beschlüsse des EZB-Rates aus.
Wirtschaftlich gesehen gehört die EZB den nationalen Zentralbanken, denn sie sind die Eigentümer des Kapitals der EZB, das sich derzeit auf etwa 6 (?) Milliarden Euro beläuft.
Von wem werden die Mitglieder des Direktoriums ernannt?
Der Europäische Rat, d.h. die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, ernennen die Mitglieder des Direktoriums.
Die Präsidenten der nationalen Zentralbanken werden im Einklang mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften bestellt.
Wie wird im EZB-Rat abgestimmt?
Beschlüsse im EZB-Rat erfolgen mit einfacher Mehrheit.
Dabei wird in der Regel allen Stimmen der gleiche Wert beigemessen. Wenn Gegenstand der Abstimmung allerdings das EZB-eigene Kapital, die Übertragung von Währungsreserven oder die Verteilung von Gewinnen und Verlusten ist, dann werden die Stimmen gemäß der jeweiligen Anteile der nationalen Zentralbanken gewichtet, wobei die Mitglieder des Direktoriums ausnahmsweise nicht stimmberechtigt sind.
Ist es problematisch, dass die Europäische Zentralbank als Organ der EU bezeichnet wird?
Ausdrücklich als Organ der EU benannt wird die EZB erst seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.Dezember 2009.
Gleichzeitig behält sie aber ihre Rechtspersönlichkeit bei, sie bleibt also eine eigene juristische Person (Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV).
Diese Zwitterqualität ist ungewöhnlich, da die EU selbst auch eine juristische Person ist (Art. 47 EUV) und ihre Organe, ähnlich dem Mund oder den Händen eines Menschen, eigentlich dazu da sind, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen und auszuführen.
So ist in den Verträgen, d.h. im Vertrag über die Europäische Union, kurz EUV, und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV, auch ausdrücklich festgelegt, dass die Organe zur Verwirklichung der Ziele der EU beitragen müssen (Art. 13 EUV). Außerdem sind die Organe zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV).
Demgegenüber existieren aber gem. Art. 13 Abs. 3 EUV besondere Bestimmungen hinsichtlich der EZB. So legt Art. 282 Abs. 3 AEUV fest, dass die EZB bei der Ausübung ihrer Befugnisse unabhängig ist. Außerdem wird den nationalen Zentralbanken und der EZB, die zusammen das Europäische System der Zentralbanken bilden (Art. 282 Abs. 1 AEUV), das vorrangige Ziel vorgegeben, die Preisstabilität zu bewahren (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 AEUV).
Soll die Zusammensetzung des EZB-Rates in irgendeiner Weise reformiert werden?
Derzeit ist jedes Land durch den Präsidenten seiner nationalen Zentralbank im EZB-Rat ständig repräsentiert.
Mit dem Beitritt des 19. Staates zur Währungsunion (derzeitige Mitgliederzahl: 17) soll aber ein Rotationsprinzip eingeführt werden, wobei dann nicht mehr ständig alle nationalen Zentralbankpräsidenten einen Sitz im EZB-Rat hätten, sondern eben eine Rotation stattfinden soll.
So, das war die juristische Theorie. Die politische und wirtschaftliche Praxis läßt sich in den Medien verfolgen. Ob sich diese eher als Trauerspiel oder als Happy End erweisen wird, wird die Zukunft zeigen. Bis dann!
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
- sechsköpfigen Direktorium,
- dem Rat der Europäischen Zentralbank, dem das soeben erwähnte Direktorium und die
Präsidenten der Zentralbanken der Euro-Länder* angehören,
- dem Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank, dem der Präsident und der Vizepräsident
des Direktoriums sowie die Präsidenten aller nationalen Zentralbanken der EU, also auch
denjenigen der Länder, die den Euro noch nicht eingeführt haben, angehören.
So weit, so verständlich. Ein bißchen kompliziert wird es dadurch, dass es auch noch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gibt, das aus der EZB und allen nationalen Zentralbanken besteht (Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Seine vorrangige, wenn auch nicht ausschließliche Aufgabe ist die Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 und 3 AEUV). Ferner existiert auch noch das Eurosystem, gebildet aus der EZB und den Zentralbanken der Euro-Staaten*. Dem Eurosystem obliegt die Währungspolitik der Union (Art. 282 Abs. 1 Satz 2 AEUV).
* Länder, deren Währung der Euro ist:
Irland, Finnland, Estland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal,
Italien, Deutschland, Österreich, Slowakei, Slowenien, Griechenland, Zypern, Malta
Welche Aufgaben haben die Unterorgane der Europäischen Zentralbank?
Der Rat der Europäischen Zentralbank ist zuständig für die Festlegung der Geldpolitik.
Das Direktorium führt die Beschlüsse des EZB-Rates aus.
Wirtschaftlich gesehen gehört die EZB den nationalen Zentralbanken, denn sie sind die Eigentümer des Kapitals der EZB, das sich derzeit auf etwa 6 (?) Milliarden Euro beläuft.
Von wem werden die Mitglieder des Direktoriums ernannt?
Der Europäische Rat, d.h. die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, ernennen die Mitglieder des Direktoriums.
Die Präsidenten der nationalen Zentralbanken werden im Einklang mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften bestellt.
Wie wird im EZB-Rat abgestimmt?
Beschlüsse im EZB-Rat erfolgen mit einfacher Mehrheit.
Dabei wird in der Regel allen Stimmen der gleiche Wert beigemessen. Wenn Gegenstand der Abstimmung allerdings das EZB-eigene Kapital, die Übertragung von Währungsreserven oder die Verteilung von Gewinnen und Verlusten ist, dann werden die Stimmen gemäß der jeweiligen Anteile der nationalen Zentralbanken gewichtet, wobei die Mitglieder des Direktoriums ausnahmsweise nicht stimmberechtigt sind.
Ist es problematisch, dass die Europäische Zentralbank als Organ der EU bezeichnet wird?
Ausdrücklich als Organ der EU benannt wird die EZB erst seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.Dezember 2009.
Gleichzeitig behält sie aber ihre Rechtspersönlichkeit bei, sie bleibt also eine eigene juristische Person (Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV).
Diese Zwitterqualität ist ungewöhnlich, da die EU selbst auch eine juristische Person ist (Art. 47 EUV) und ihre Organe, ähnlich dem Mund oder den Händen eines Menschen, eigentlich dazu da sind, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen und auszuführen.
So ist in den Verträgen, d.h. im Vertrag über die Europäische Union, kurz EUV, und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV, auch ausdrücklich festgelegt, dass die Organe zur Verwirklichung der Ziele der EU beitragen müssen (Art. 13 EUV). Außerdem sind die Organe zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV).
Demgegenüber existieren aber gem. Art. 13 Abs. 3 EUV besondere Bestimmungen hinsichtlich der EZB. So legt Art. 282 Abs. 3 AEUV fest, dass die EZB bei der Ausübung ihrer Befugnisse unabhängig ist. Außerdem wird den nationalen Zentralbanken und der EZB, die zusammen das Europäische System der Zentralbanken bilden (Art. 282 Abs. 1 AEUV), das vorrangige Ziel vorgegeben, die Preisstabilität zu bewahren (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 AEUV).
Soll die Zusammensetzung des EZB-Rates in irgendeiner Weise reformiert werden?
Derzeit ist jedes Land durch den Präsidenten seiner nationalen Zentralbank im EZB-Rat ständig repräsentiert.
Mit dem Beitritt des 19. Staates zur Währungsunion (derzeitige Mitgliederzahl: 17) soll aber ein Rotationsprinzip eingeführt werden, wobei dann nicht mehr ständig alle nationalen Zentralbankpräsidenten einen Sitz im EZB-Rat hätten, sondern eben eine Rotation stattfinden soll.
So, das war die juristische Theorie. Die politische und wirtschaftliche Praxis läßt sich in den Medien verfolgen. Ob sich diese eher als Trauerspiel oder als Happy End erweisen wird, wird die Zukunft zeigen. Bis dann!
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Montag, 18. April 2011
Europäische Organisationen außerhalb der EU
Guten Tag!
Wie schon die drei vorhergehenden Posts enthält auch dieser Eintrag Materialien aus meinem Vortrag über die Funktionsweise der EU.
Wie schon die drei vorhergehenden Posts enthält auch dieser Eintrag Materialien aus meinem Vortrag über die Funktionsweise der EU.
Europäische Organisationen außerhalb der EU
Europarat
gegründet im Jahre 1949
40 Mitgliedstaaten, darunter alle EU-Staaten sowie die Schweiz, Russland, die Ukraine, Aserbeidschan, die Türkei u.a.
Hauptfunktion:
Gewährleistung der Menschenrechte mittels der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof, EuGH, dem Gericht der EU!)
Europäische Freihandelszone (EFTA)
gegründet im Jahre 1960
Mitglieder:
Island, Norwegen, Liechtenstein, Schweiz
Zweck:
Errichtung einer Freihandelszone, um Handel und Beschäftigung zu fördern
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)
gegründet im Jahre 1994
Zweck:
Assoziierung der EFTA-Mitglieder Island, Norwegen, Liechtenstein, nicht aber der Schweiz, mit der EG bzw. EU; Freiheit des Warenverkehrs, der Dienstleistungen, der Niederlassung und Arbeitnehmerfreizügigkeit gelten auch hinsichtlich dieser Staaten
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
im Jahre 1995 aus der KSZE (siehe unten) hervorgegangen
Mitgliedstaaten:
alle Länder Europas einschließlich Russlands und der übrigen, auch der asiatischen, Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie Kanada und die USA
Zweck:
Friedenssicherung in Europa
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)
gegründet im Jahre 1975 auf der Basis der "Schlußakte von Helsinki"
Zweck:
Entschärfung des Ost-West-Konflikts
Das war´s für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse!
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
gegründet im Jahre 1949
40 Mitgliedstaaten, darunter alle EU-Staaten sowie die Schweiz, Russland, die Ukraine, Aserbeidschan, die Türkei u.a.
Hauptfunktion:
Gewährleistung der Menschenrechte mittels der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof, EuGH, dem Gericht der EU!)
Europäische Freihandelszone (EFTA)
gegründet im Jahre 1960
Mitglieder:
Island, Norwegen, Liechtenstein, Schweiz
Zweck:
Errichtung einer Freihandelszone, um Handel und Beschäftigung zu fördern
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)
gegründet im Jahre 1994
Zweck:
Assoziierung der EFTA-Mitglieder Island, Norwegen, Liechtenstein, nicht aber der Schweiz, mit der EG bzw. EU; Freiheit des Warenverkehrs, der Dienstleistungen, der Niederlassung und Arbeitnehmerfreizügigkeit gelten auch hinsichtlich dieser Staaten
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
im Jahre 1995 aus der KSZE (siehe unten) hervorgegangen
Mitgliedstaaten:
alle Länder Europas einschließlich Russlands und der übrigen, auch der asiatischen, Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie Kanada und die USA
Zweck:
Friedenssicherung in Europa
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)
gegründet im Jahre 1975 auf der Basis der "Schlußakte von Helsinki"
Zweck:
Entschärfung des Ost-West-Konflikts
Das war´s für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse!
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Montag, 4. April 2011
Sonntag, 20. März 2011
Freitag, 4. März 2011
Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH
Heute möchte ich an Worten sparen und dafür Bilder, naja, sagen wir eine Graphik, sprechen lassen. Denn wie in NJW-aktuell 5/2011, S.12 zu lesen war, kann sich auch die Rechtswelt der zeitgeistgemäßen Macht der Bilder nicht mehr entziehen.
Ganz ohne verbale Erklärungen geht es aber wohl doch nicht.
Deshalb ganz kurz:
Das Bild stellt den Mechanismus des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV vor dem EuGH (Europäischer Gerichtshof, Gericht der EU) dar, und zwar an einem Fall, der sich vor einigen Jahren tatsächlich zugetragen hat.
Die zuständigen österreichischen Behörden genehmigten eine Demonstration von Umweltschützern auf der Brennerautobahn, einer wichtigen transeuropäischen Verkehrsachse. Spediteure klagten gegen diese Genehmigung vor österreichischen Gerichten, weil sie ihren Geschäftsbetrieb auf Grund der durch die Demonstration nötig gewordenen Sperrung der Autobahn gefährdet sahen.
Da die österreichischen Gerichte für ihre Entscheidung auch die EU-Warenverkehrsfreiheit zu berücksichtigen hatten, mußte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.
Genauer gesagt bedeutet das, dass die Klage der Spediteure zunächst auf ihr national verbürgtes "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" gerichtet war, das möglicherweise durch die Genehmigung der Demonstration angegriffen wurde (daher im Bild der abgefeuerte Pfeil). Da nationales Recht aber vereinfacht gesagt im Lichte des EU-Rechts ausgelegt werden muß, war eben auch die EU-Warenverkehrsfreiheit zu prüfen; der Pfeil, also die Maßnahme der österreichischen Behörden, trifft deshalb auch die Trutzburg des EU-Rechts. Zur Auslegung von EU-Recht ist aber im Interesse der EU-weiten Rechtseinheitlichkeit nur der EuGH befugt, deshalb die Vorlagepflicht.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Freitag, 18. Februar 2011
Allein in der Fremde?
Wir hatten ja das letzte Mal gesehen, dass sich das Völkerrecht nicht nur in einer dem (Rechts-)Alltag normaler Menschen entzogenen, nur von Diplomaten bevölkerten Sphäre abspielt, sondern auch in Rechtsfällen, die zunächst rein innerstaatlich erscheinen, zum Tragen kommen kann.
Damals handelte es sich um gestohlene Kunstwerke, heute wollen wir einen kurzen Blick auf eine Situation werfen, in der es um Leben und Tod gehen kann und tatsächlich auch schon gegangen ist.
Die Rede ist von Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK (Wiener Konsularrechtsübereinkommen).
Dieser Klausel liegt die folgende Situation zu Grunde: Ein ausländischer Staatsangehöriger wird in einem bestimmten Staat festgenommen.
Dann sind die Behörden dieses Staates verpflichtet, das für den Verhafteten zuständige Konsulat über die Verhaftung zu informieren und Mitteilungen des Verhafteten an das Konsulat weiterzuleiten. Außerdem ist der Verhaftete dahingehend zu unterrichten, dass diese Rechte bzw. Pflichten bestehen.
Fraglich ist, oder besser gesagt, war, wer das Subjekt der genannten Rechte ist, die einzelne Person, die sich in Haft befindet, oder der Staat, dem sie angehört.
Verbunden damit war die Frage, welche juristischen Folgen ein Verstoß gegen diese Pflichten, die ja die Kehrseite der Rechte sind, hat.
Der Internationale Gerichtshof (IGH), das Gericht der UNO, hat in einem aufsehenerregenden Fall im Jahre 2001 diesbezüglich entschieden, dass ein Strafurteil, dem eine Festnahme vorausging, bei der die in Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK geforderten Belehrung unterblieben ist, einem Revisionsverfahren zugänglich sein muß (Esser, in: Ahlbrecht/Böhm/Esser/Hugger/Kirsch/Rosenthal, Internationales Strafrecht in der Praxis, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2008, S.111, 112).
Diese vom IGH geforderte tiefgreifende Einwirkung in das innerstaatliche Strafprozeßrecht eines fremden Staates zu Gunsten des Festgenommenen bzw. Verurteilten hat seine Grundlage nun ja in Art. 36 Abs. 1 lit.b, Abs. 2 WÜK. Aus eben dieser ursprünglich zwischenstaatlichen Vertragsklausel entspringt also ein subjektives justizielles Recht einer einzelnen Person. Mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben, also einem Recht des Heimatstaates des Betroffenen, hat das nichts mehr zu tun, vielmehr handelt es sich um Rechtsbeziehungen zwischen dem Verhafteten bzw. Verurteilten und dem Staat, dessen Justizorgane insoweit tätig wurden.
Aus diesem Umstand wird deutlich, dass Individuen hinsichtlich dieser Norm Rechtssubjekte sein können (vgl. Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Auflage, Tübingen 2008, S.168).
Warum aber beinhaltete der vom IGH entschiedene Fall die Frage nach Leben oder Tod?
Anlaß des IGH-Urteils war die bevorstehende Hinrichtung zweier deutscher Staatsangehöriger, die in den USA lebten. Bei ihrer Festnahme war die Belehrung gem. Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK unterblieben. Deshalb hatte der IGH eine einstweilige Anordnung erlassen, die die Aufschiebung der Hinrichtung forderte. Dem kamen die US-Behörden aber nicht nach, die Todesstrafe wurde vollstreckt.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Damals handelte es sich um gestohlene Kunstwerke, heute wollen wir einen kurzen Blick auf eine Situation werfen, in der es um Leben und Tod gehen kann und tatsächlich auch schon gegangen ist.
Die Rede ist von Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK (Wiener Konsularrechtsübereinkommen).
Dieser Klausel liegt die folgende Situation zu Grunde: Ein ausländischer Staatsangehöriger wird in einem bestimmten Staat festgenommen.
Dann sind die Behörden dieses Staates verpflichtet, das für den Verhafteten zuständige Konsulat über die Verhaftung zu informieren und Mitteilungen des Verhafteten an das Konsulat weiterzuleiten. Außerdem ist der Verhaftete dahingehend zu unterrichten, dass diese Rechte bzw. Pflichten bestehen.
Fraglich ist, oder besser gesagt, war, wer das Subjekt der genannten Rechte ist, die einzelne Person, die sich in Haft befindet, oder der Staat, dem sie angehört.
Verbunden damit war die Frage, welche juristischen Folgen ein Verstoß gegen diese Pflichten, die ja die Kehrseite der Rechte sind, hat.
Der Internationale Gerichtshof (IGH), das Gericht der UNO, hat in einem aufsehenerregenden Fall im Jahre 2001 diesbezüglich entschieden, dass ein Strafurteil, dem eine Festnahme vorausging, bei der die in Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK geforderten Belehrung unterblieben ist, einem Revisionsverfahren zugänglich sein muß (Esser, in: Ahlbrecht/Böhm/Esser/Hugger/Kirsch/Rosenthal, Internationales Strafrecht in der Praxis, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2008, S.111, 112).
Diese vom IGH geforderte tiefgreifende Einwirkung in das innerstaatliche Strafprozeßrecht eines fremden Staates zu Gunsten des Festgenommenen bzw. Verurteilten hat seine Grundlage nun ja in Art. 36 Abs. 1 lit.b, Abs. 2 WÜK. Aus eben dieser ursprünglich zwischenstaatlichen Vertragsklausel entspringt also ein subjektives justizielles Recht einer einzelnen Person. Mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben, also einem Recht des Heimatstaates des Betroffenen, hat das nichts mehr zu tun, vielmehr handelt es sich um Rechtsbeziehungen zwischen dem Verhafteten bzw. Verurteilten und dem Staat, dessen Justizorgane insoweit tätig wurden.
Aus diesem Umstand wird deutlich, dass Individuen hinsichtlich dieser Norm Rechtssubjekte sein können (vgl. Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Auflage, Tübingen 2008, S.168).
Warum aber beinhaltete der vom IGH entschiedene Fall die Frage nach Leben oder Tod?
Anlaß des IGH-Urteils war die bevorstehende Hinrichtung zweier deutscher Staatsangehöriger, die in den USA lebten. Bei ihrer Festnahme war die Belehrung gem. Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK unterblieben. Deshalb hatte der IGH eine einstweilige Anordnung erlassen, die die Aufschiebung der Hinrichtung forderte. Dem kamen die US-Behörden aber nicht nach, die Todesstrafe wurde vollstreckt.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Freitag, 4. Februar 2011
Gestohlene Kulturgüter im Licht des Völkerrechts
Das Völkerrecht regelt nach herkömmlicher Auffassung das Recht zwischen Staaten.
In den letzten Jahrzehnten rückte dagegen zunehmend das Individuum ins Blickfeld des Völkerrechts. Dabei spielen aber hauptsächlich stark "politisierte" Rechtsbereiche wie die Gewährleistung von Menschenrechten eine Rolle.
Dass sich völkerrechtliche Regelungen aber auch auf eher unpolitische innerstaatliche Rechts- und Geschäftsbeziehungen auswirken können, zeigt unser heutiges Thema, nämlich der juristische Schutz gegen unrechtmäßigen grenzüberschreitenden Kunsthandel.
Wir wollen uns dabei auf die Fallkonstellation beschränken, bei der ein Kunstwerk gestohlen und dann im Ausland verkauft wird.
Welche völkerrechtlichen Rechtsquellen behandeln eine solche Situation?
Da wäre einmal das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahre 1970, dem bislang etwa 119 Staaten, darunter Deutschland, beigetreten sind.
Ein weiterer Vertrag, die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder illegal exportierte Kulturgüter stammt aus dem Jahre 1995, von Deutschland wurde diese Konvention allerdings nicht unterzeichnet.
Beide Übereinkommen sehen vor, dass der Besitzer eines (in einem anderen Land) gestohlenen Kulturgutes dieses auf Antrag des Ursprungsstaates zurückgeben muss. Die einschlägigen Regelungen beziehen sich wohl gemerkt nicht auf den Dieb, sondern auf einen nachrangigen Erwerber. Gutgläubigkeit macht den Erwerb nicht wirksam, gibt aber einen Anspruch auf Entschädigung (Art. 7 b Abs. 2 des Übereinkommens von 1970; Art. 3 Abs. 1, 2 der Konvention von 1995). Ein Eigentumsübergang findet also nicht statt, so dass ein Rückgabeanspruch besteht, der an § 985 BGB (Deutschland) erinnert.
Während das Übereinkommen von 1970 einen Anspruch auf Rückführung des gestohlenen Kunstwerkes nur für den Fall vorsieht, dass das Kunstwerk aus einer staatlichen Einrichtung entwendet worden ist, verzichtet die Konvention von 1995 auf diese Einschränkung, wie sich wohl aus Art. 3 ergibt.
Denn dessen Abs. 3, 4 und 8 regeln die Verjährungsfrist für den Rückgabeanspruch eines gestohlenen Kunstwerkes. Dabei legen Art. 4 und 8 eine besondere Verjährungsfrist für Diebstähle aus öffentlichen Sammlungen bzw. von Kultgegenständen autochthoner Völker fest. Art. 3 dagegen bestimmt die Verjährungsfrist für sonstige Diebstähle, ohne diese näher zu qualifizieren. Daraus kann geschlossen werden, dass der Rückgabeanspruch auch für solche Kunstgegenstände gilt, die Privatpersonen gestohlen worden sind.
Soweit ein kurzer Überblick über den Regelungsinhalt der völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Zum Ineinandergreifen von Völkerrecht und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten könnte angemerkt werden, dass die Normen der Vereinbarungen auf Rechtsbegriffen aufbauen, die vom nationalen Recht geprägt sind und bestimmt werden, insbesondere Diebstahl und Gutgläubigkeit.
Wahrscheinlich existieren derartige Rechtsinstitute in allen nationalen Rechtsordnungen in irgendeiner Form, aber hinsichtlich der konkreten Ausformung durch den jeweiligen Gesetzestext und noch mehr durch die dazu ergangene Rechtsprechung dürften nicht unerhebliche Unterschiede bestehen.
Deshalb könnte es vorkommen, dass der Vorgang des Abhandenkommens des streitgegenständlichen Kunstwerkes im Ursprungsstaat als Diebstahl gewertet wird, im Empfangsstaat aber nicht. Dann würden die Gerichte dieses Staates keinen Rückgabeanspruch gewähren, da in ihren Augen der Tatbestand der völkerrechtlichen Rückgabenorm nicht erfüllt wäre.
Denn anders als etwa im Europarecht (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unt. 2, 3 EUV) gibt es im allgemeinen Völkerrecht wohl keine generelle Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung internationaler Normen durch nationale Gerichte. Insbesondere hinsichtlich der Übernahme fremden öffentlichen Rechts hat sich auf internationaler Ebene noch keine abschließende, allgemein anerkannte Auffassung in dieser Richtung herausgebildet (vgl. Dolzer, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 575).
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
In den letzten Jahrzehnten rückte dagegen zunehmend das Individuum ins Blickfeld des Völkerrechts. Dabei spielen aber hauptsächlich stark "politisierte" Rechtsbereiche wie die Gewährleistung von Menschenrechten eine Rolle.
Dass sich völkerrechtliche Regelungen aber auch auf eher unpolitische innerstaatliche Rechts- und Geschäftsbeziehungen auswirken können, zeigt unser heutiges Thema, nämlich der juristische Schutz gegen unrechtmäßigen grenzüberschreitenden Kunsthandel.
Wir wollen uns dabei auf die Fallkonstellation beschränken, bei der ein Kunstwerk gestohlen und dann im Ausland verkauft wird.
Welche völkerrechtlichen Rechtsquellen behandeln eine solche Situation?
Da wäre einmal das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahre 1970, dem bislang etwa 119 Staaten, darunter Deutschland, beigetreten sind.
Ein weiterer Vertrag, die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder illegal exportierte Kulturgüter stammt aus dem Jahre 1995, von Deutschland wurde diese Konvention allerdings nicht unterzeichnet.
Beide Übereinkommen sehen vor, dass der Besitzer eines (in einem anderen Land) gestohlenen Kulturgutes dieses auf Antrag des Ursprungsstaates zurückgeben muss. Die einschlägigen Regelungen beziehen sich wohl gemerkt nicht auf den Dieb, sondern auf einen nachrangigen Erwerber. Gutgläubigkeit macht den Erwerb nicht wirksam, gibt aber einen Anspruch auf Entschädigung (Art. 7 b Abs. 2 des Übereinkommens von 1970; Art. 3 Abs. 1, 2 der Konvention von 1995). Ein Eigentumsübergang findet also nicht statt, so dass ein Rückgabeanspruch besteht, der an § 985 BGB (Deutschland) erinnert.
Während das Übereinkommen von 1970 einen Anspruch auf Rückführung des gestohlenen Kunstwerkes nur für den Fall vorsieht, dass das Kunstwerk aus einer staatlichen Einrichtung entwendet worden ist, verzichtet die Konvention von 1995 auf diese Einschränkung, wie sich wohl aus Art. 3 ergibt.
Denn dessen Abs. 3, 4 und 8 regeln die Verjährungsfrist für den Rückgabeanspruch eines gestohlenen Kunstwerkes. Dabei legen Art. 4 und 8 eine besondere Verjährungsfrist für Diebstähle aus öffentlichen Sammlungen bzw. von Kultgegenständen autochthoner Völker fest. Art. 3 dagegen bestimmt die Verjährungsfrist für sonstige Diebstähle, ohne diese näher zu qualifizieren. Daraus kann geschlossen werden, dass der Rückgabeanspruch auch für solche Kunstgegenstände gilt, die Privatpersonen gestohlen worden sind.
Soweit ein kurzer Überblick über den Regelungsinhalt der völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Zum Ineinandergreifen von Völkerrecht und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten könnte angemerkt werden, dass die Normen der Vereinbarungen auf Rechtsbegriffen aufbauen, die vom nationalen Recht geprägt sind und bestimmt werden, insbesondere Diebstahl und Gutgläubigkeit.
Wahrscheinlich existieren derartige Rechtsinstitute in allen nationalen Rechtsordnungen in irgendeiner Form, aber hinsichtlich der konkreten Ausformung durch den jeweiligen Gesetzestext und noch mehr durch die dazu ergangene Rechtsprechung dürften nicht unerhebliche Unterschiede bestehen.
Deshalb könnte es vorkommen, dass der Vorgang des Abhandenkommens des streitgegenständlichen Kunstwerkes im Ursprungsstaat als Diebstahl gewertet wird, im Empfangsstaat aber nicht. Dann würden die Gerichte dieses Staates keinen Rückgabeanspruch gewähren, da in ihren Augen der Tatbestand der völkerrechtlichen Rückgabenorm nicht erfüllt wäre.
Denn anders als etwa im Europarecht (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unt. 2, 3 EUV) gibt es im allgemeinen Völkerrecht wohl keine generelle Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung internationaler Normen durch nationale Gerichte. Insbesondere hinsichtlich der Übernahme fremden öffentlichen Rechts hat sich auf internationaler Ebene noch keine abschließende, allgemein anerkannte Auffassung in dieser Richtung herausgebildet (vgl. Dolzer, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 575).
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Donnerstag, 20. Januar 2011
Ein juristischer Ausflug ans Kaspische Meer
Spränge man mit Siebenmeilenstiefeln durch die Meere, Flüsse und Seen der Welt wie durch Pfützen und machte man vom Mittelmeer einen Schritt nach Osten und dann einen weiteren kleinen Schritt nach Osten, so würde man ins Kaspische Meer gelangen.
Trotz dieses Namens handelt es sich aber möglicherweise um kein Meer, sondern um den größten und einen der tiefsten Seen der Welt.
Wie ein Meer kann es allerings mit gleich fünf Anrainerstaaten aufwarten; diese sind Kasachstan, Turkmenistan, der Iran, Aserbeidschan und Russland.
Sein Reichtum an Fischbeständen und Erdgas läßt das Herz seiner Uferstaaten höher schlagen, macht aber eine einvernehmliche und allseits akzeptable Aufteilung seiner Flächen und Ressourcen zu einer schwierigen Aufgabe.
Die juristische Unterscheidung zwischen einem See und einem Meer hat bedeutende Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen den Uferstaaten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle Rechte gebietsfremder Staaten.
So gehören Seen zum Staatsgebiet eines bestimmten Staates und unterfallen seiner souveränen Hoheitsgewalt (statt vieler: Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Dieses Prinzip gilt auch für Grenzseen, natürlich mit der Maßgabe, dass der See bzw. die Hoheitsgewalt über ihn zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt werden muss, was zumeist entlang der Mittellinie oder entlang der Hauptschiffahrtsrinne, des sogenannten Talweges, erfolgt (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Im konkreten Fall hat Russland vorgeschlagen, den Boden den Kaspischen Meeres zwecks Rohstoffausbeute zwischen den Uferstaaten aufzuteilen, während die Wasseroberfläche von ihnen gemeinsam genutzt werden soll.
Das Meer dagegen ist ein Raum, der juristisch gesehen von außen nach innen, oder anders ausgedrückt von den Ufern hin zur Hohen See, immer internationalisierter wird.
Unmittelbar an der Küste befinden sich die sogenannten inneren Gewässer und das Küstenmeer. Diese Gewässer sind ebenfalls Bestandteil des Staatsgebietes des betreffenden Landes und unterliegen grundsätzlich seiner Souveränität. Grundsätzlich - diese Einschränkung ist dadurch veranlaßt, dass bereits auf Grund von Gewohnheitsrecht, aber auch wegen Art. 17 SRÜ (Seerechtsübereinkommen von 1982) ein Recht zur friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer eines gegebenen Staates besteht (Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204).
Daran schließt sich, wie zu erwarten, die Anschlußzone an, und damit ist sozusagen die rote Linie überschritten, denn hier endet das Staatsgebiet des Küstenstaates, d.h. die Anschlußzone gehört nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates, sondern stellt vielmehr einen internationalen Gemeinschaftsraum dar, also einen Raum, der keiner staatlichen Gebietshoheit unterworfen ist (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 473).
Dass die Anschlußzone der Gebietshoheit des Küstenstaates entzogen ist, bedeutet nun aber nicht, dass der Staat hier keine besonderen Rechte hätte. Diese Zone ist vielmehr als eine Art Sicherheitszone zu sehen, denn der Staat ist hier befugt, Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisegesetze zu unterbinden. Denn wenn die Anschlußzone auch außerhalb des Staatsgebietes liegt, so können doch schädliche Folgen der Nichteinhaltung der genannten Vorschriften leicht auf das Staatsgebiet übergreifen.
Die letzte Sonderzone vor der Hohen See ist die ausschließliche Wirtschaftszone.
Sie ist ebenfalls ein internationaler Gemeinschaftsraum, in dem allerdings wiederum dem Küstenstaat gewisse Vorrechte zugestanden werden. Wie der Name schon sagt, beziehen sich diese Vorrechte auf wirtschaftliche Aktivitäten, und zwar genauer gesagt auf die Erforschung, Erhaltung, Bewirtschaftung und Ausbeutung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 482), also beispielsweise von Unterwasserpflanzen und Erdöllagerstätten. Nicht vorbehalten ist den Küstenstaaten dagegen die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen; dieses Recht steht vielmehr auch ortsfremden Akteuren zu (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 427).
Damit haben wir endlich die Hohe See erreicht und können die Freiheit der Meere genießen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Trotz dieses Namens handelt es sich aber möglicherweise um kein Meer, sondern um den größten und einen der tiefsten Seen der Welt.
Wie ein Meer kann es allerings mit gleich fünf Anrainerstaaten aufwarten; diese sind Kasachstan, Turkmenistan, der Iran, Aserbeidschan und Russland.
Sein Reichtum an Fischbeständen und Erdgas läßt das Herz seiner Uferstaaten höher schlagen, macht aber eine einvernehmliche und allseits akzeptable Aufteilung seiner Flächen und Ressourcen zu einer schwierigen Aufgabe.
Die juristische Unterscheidung zwischen einem See und einem Meer hat bedeutende Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen den Uferstaaten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle Rechte gebietsfremder Staaten.
So gehören Seen zum Staatsgebiet eines bestimmten Staates und unterfallen seiner souveränen Hoheitsgewalt (statt vieler: Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Dieses Prinzip gilt auch für Grenzseen, natürlich mit der Maßgabe, dass der See bzw. die Hoheitsgewalt über ihn zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt werden muss, was zumeist entlang der Mittellinie oder entlang der Hauptschiffahrtsrinne, des sogenannten Talweges, erfolgt (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Im konkreten Fall hat Russland vorgeschlagen, den Boden den Kaspischen Meeres zwecks Rohstoffausbeute zwischen den Uferstaaten aufzuteilen, während die Wasseroberfläche von ihnen gemeinsam genutzt werden soll.
Das Meer dagegen ist ein Raum, der juristisch gesehen von außen nach innen, oder anders ausgedrückt von den Ufern hin zur Hohen See, immer internationalisierter wird.
Unmittelbar an der Küste befinden sich die sogenannten inneren Gewässer und das Küstenmeer. Diese Gewässer sind ebenfalls Bestandteil des Staatsgebietes des betreffenden Landes und unterliegen grundsätzlich seiner Souveränität. Grundsätzlich - diese Einschränkung ist dadurch veranlaßt, dass bereits auf Grund von Gewohnheitsrecht, aber auch wegen Art. 17 SRÜ (Seerechtsübereinkommen von 1982) ein Recht zur friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer eines gegebenen Staates besteht (Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204).
Daran schließt sich, wie zu erwarten, die Anschlußzone an, und damit ist sozusagen die rote Linie überschritten, denn hier endet das Staatsgebiet des Küstenstaates, d.h. die Anschlußzone gehört nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates, sondern stellt vielmehr einen internationalen Gemeinschaftsraum dar, also einen Raum, der keiner staatlichen Gebietshoheit unterworfen ist (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 473).
Dass die Anschlußzone der Gebietshoheit des Küstenstaates entzogen ist, bedeutet nun aber nicht, dass der Staat hier keine besonderen Rechte hätte. Diese Zone ist vielmehr als eine Art Sicherheitszone zu sehen, denn der Staat ist hier befugt, Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisegesetze zu unterbinden. Denn wenn die Anschlußzone auch außerhalb des Staatsgebietes liegt, so können doch schädliche Folgen der Nichteinhaltung der genannten Vorschriften leicht auf das Staatsgebiet übergreifen.
Die letzte Sonderzone vor der Hohen See ist die ausschließliche Wirtschaftszone.
Sie ist ebenfalls ein internationaler Gemeinschaftsraum, in dem allerdings wiederum dem Küstenstaat gewisse Vorrechte zugestanden werden. Wie der Name schon sagt, beziehen sich diese Vorrechte auf wirtschaftliche Aktivitäten, und zwar genauer gesagt auf die Erforschung, Erhaltung, Bewirtschaftung und Ausbeutung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 482), also beispielsweise von Unterwasserpflanzen und Erdöllagerstätten. Nicht vorbehalten ist den Küstenstaaten dagegen die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen; dieses Recht steht vielmehr auch ortsfremden Akteuren zu (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 427).
Damit haben wir endlich die Hohe See erreicht und können die Freiheit der Meere genießen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Freitag, 7. Januar 2011
Wird die WTO bald um einen ganzen Kontinent reicher?
Der Präsident des Weltfußballverbandes, der FIFA, hat Russland anläßlich der Vergabe der WM 2018 einen "ganzen Kontinent" genannt.
Da dieser "ganze Kontinent" möglicherweise in diesem Jahr der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten wird, würde sich vielleicht ein näherer Blick auf diese Institution lohnen.
Zweck der WTO ist es, durch zwischenstaatliche Abkommen den ungehinderten Welthandel zu ermöglichen. Die dementsprechende Regulierung durch die WTO umfaßt
- den Handel mit Gütern (General Agreement on Tariffs and
Trades/GATT)
- den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade with Services/GATS)
- die handelsrelevanten Aspekte geistiger Eigentumsrechte (Trade Related Aspects of Intellectual Property/TRIPS).
Im Rahmen der genannten Übereinkommen existiert eine Vielzahl von Vereinbarungen zu einzelnen Fragen.
Grundlegende Prinzipien der dadurch geschaffenen Welthandelsordnung sind die Meistbegünstigung (Art. I Gatt, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS) und die Inländerbehandlung (Art. III GATT, Art. XVII GATS, Art. 3 Abs. 1 TRIPS).
Meistbegünstigung bedeutet, dass diejenigen Handelsvorteile, die ein bestimmtes Land einem Drittland gewährt, auch allen anderen Vertragsparteien gewährt werden müssen.
Unter Inländerbehandlung versteht man die Pflicht, Importwaren hinsichtlich des Absatzes keinen ungünstigeren Rechtsvorschriften zu unterwerfen als einheimische Waren.
Der dauerhaften Durchsetzung dieses Regelwerkes dient das Streitbeilegungssystem, das durch ein entsprechendes ständiges Organ (Dispute Settlement Body, Art. IV Abs. 3 WTO-Abkommen) geleitet wird.
Dieser Streitbeilegungsmechanismus sieht Verhandlungslösungen (Art. 4f. DSU), aber auch ein klageähnliches Verfahren (Art. 4 Abs. 7, 6, 7, 8 Abs. 5, 12, 16, 17 DSU) vor.
Um auf Russland zurückzukommen, so beabsichtigt es, der WTO nicht alleine beitreten, sondern zusammen mit Kasachstan und Weißrussland, mit denen es eine Zollunion errichtet hat.
Gem. Art. XII Abs. 1 WTO-Abkommen können neben Staaten auch gesonderte Zollgebiete Mitglied der WTO werden, sofern sie gegenüber ihren eigenen Mitgliedstaaten die volle Kompetenz für Außenhandelsbeziehungen und die übrigen WTO-Angelegenheiten besitzen.
Das bislang einzige Beispiel für ein überstaatliches WTO-Mitglied ist die EU. Sie verfügt gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV über die ausschließliche Kompetenz hinsichtlich der Gemeinsamen (Außen-)Handelspolitik (GHP). Vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergab sich diese Zuständigkeit aus der Rechtsprechung des EuGH (Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3.Aufl., München 2010, S.150).
Was Russland, Weißrussland und Kasachstan betrifft, so war allerdings auch die Rede davon, dass diese Länder, formal gesehen, auch einzeln in die WTO einzutreten könnten, dies aber zur gleichen Zeit und zu gleichen Bedingungen (vgl. http://ru.wikipedia.org/wiki/Всемирная_торговая_организация, Abschnitt Россия и ВТО, Stand: 6.Jan. 2011).
Für die Zeit nach dem Beitritt statuiert Art. XXIV Abs. 5 WTO-Übereinkommen das Recht der WTO-Vertragsparteien, regionale Zollunionen und Freihandelszonen zu unterhalten.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Da dieser "ganze Kontinent" möglicherweise in diesem Jahr der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten wird, würde sich vielleicht ein näherer Blick auf diese Institution lohnen.
Zweck der WTO ist es, durch zwischenstaatliche Abkommen den ungehinderten Welthandel zu ermöglichen. Die dementsprechende Regulierung durch die WTO umfaßt
- den Handel mit Gütern (General Agreement on Tariffs and
Trades/GATT)
- den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade with Services/GATS)
- die handelsrelevanten Aspekte geistiger Eigentumsrechte (Trade Related Aspects of Intellectual Property/TRIPS).
Im Rahmen der genannten Übereinkommen existiert eine Vielzahl von Vereinbarungen zu einzelnen Fragen.
Grundlegende Prinzipien der dadurch geschaffenen Welthandelsordnung sind die Meistbegünstigung (Art. I Gatt, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS) und die Inländerbehandlung (Art. III GATT, Art. XVII GATS, Art. 3 Abs. 1 TRIPS).
Meistbegünstigung bedeutet, dass diejenigen Handelsvorteile, die ein bestimmtes Land einem Drittland gewährt, auch allen anderen Vertragsparteien gewährt werden müssen.
Unter Inländerbehandlung versteht man die Pflicht, Importwaren hinsichtlich des Absatzes keinen ungünstigeren Rechtsvorschriften zu unterwerfen als einheimische Waren.
Der dauerhaften Durchsetzung dieses Regelwerkes dient das Streitbeilegungssystem, das durch ein entsprechendes ständiges Organ (Dispute Settlement Body, Art. IV Abs. 3 WTO-Abkommen) geleitet wird.
Dieser Streitbeilegungsmechanismus sieht Verhandlungslösungen (Art. 4f. DSU), aber auch ein klageähnliches Verfahren (Art. 4 Abs. 7, 6, 7, 8 Abs. 5, 12, 16, 17 DSU) vor.
Um auf Russland zurückzukommen, so beabsichtigt es, der WTO nicht alleine beitreten, sondern zusammen mit Kasachstan und Weißrussland, mit denen es eine Zollunion errichtet hat.
Gem. Art. XII Abs. 1 WTO-Abkommen können neben Staaten auch gesonderte Zollgebiete Mitglied der WTO werden, sofern sie gegenüber ihren eigenen Mitgliedstaaten die volle Kompetenz für Außenhandelsbeziehungen und die übrigen WTO-Angelegenheiten besitzen.
Das bislang einzige Beispiel für ein überstaatliches WTO-Mitglied ist die EU. Sie verfügt gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV über die ausschließliche Kompetenz hinsichtlich der Gemeinsamen (Außen-)Handelspolitik (GHP). Vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergab sich diese Zuständigkeit aus der Rechtsprechung des EuGH (Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3.Aufl., München 2010, S.150).
Was Russland, Weißrussland und Kasachstan betrifft, so war allerdings auch die Rede davon, dass diese Länder, formal gesehen, auch einzeln in die WTO einzutreten könnten, dies aber zur gleichen Zeit und zu gleichen Bedingungen (vgl. http://ru.wikipedia.org/wiki/Всемирная_торговая_организация, Abschnitt Россия и ВТО, Stand: 6.Jan. 2011).
Für die Zeit nach dem Beitritt statuiert Art. XXIV Abs. 5 WTO-Übereinkommen das Recht der WTO-Vertragsparteien, regionale Zollunionen und Freihandelszonen zu unterhalten.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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