Donnerstag, 20. Januar 2011

Ein juristischer Ausflug ans Kaspische Meer

Spränge man mit Siebenmeilenstiefeln durch die Meere, Flüsse und Seen der Welt wie durch Pfützen und machte man vom Mittelmeer einen Schritt nach Osten und dann einen weiteren kleinen Schritt nach Osten, so würde man ins Kaspische Meer gelangen.

Trotz dieses Namens handelt es sich aber möglicherweise um kein Meer, sondern um den größten und einen der tiefsten Seen der Welt.

Wie ein Meer kann es allerings mit gleich fünf Anrainerstaaten aufwarten; diese sind Kasachstan, Turkmenistan, der Iran, Aserbeidschan und Russland.

Sein Reichtum an Fischbeständen und Erdgas läßt das Herz seiner Uferstaaten höher schlagen, macht aber eine einvernehmliche und allseits akzeptable Aufteilung seiner Flächen und Ressourcen zu einer schwierigen Aufgabe.

Die juristische Unterscheidung zwischen einem See und einem Meer hat bedeutende Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen den Uferstaaten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle Rechte gebietsfremder Staaten.

So gehören Seen zum Staatsgebiet eines bestimmten Staates und unterfallen seiner souveränen Hoheitsgewalt (statt vieler: Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Dieses Prinzip gilt auch für Grenzseen, natürlich mit der Maßgabe, dass der See bzw. die Hoheitsgewalt über ihn zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt werden muss, was zumeist entlang der Mittellinie oder entlang der Hauptschiffahrtsrinne, des sogenannten Talweges, erfolgt (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Im konkreten Fall hat Russland vorgeschlagen, den Boden den Kaspischen Meeres zwecks Rohstoffausbeute zwischen den Uferstaaten aufzuteilen, während die Wasseroberfläche von ihnen gemeinsam genutzt werden soll.

Das Meer dagegen ist ein Raum, der juristisch gesehen von außen nach innen, oder anders ausgedrückt von den Ufern hin zur Hohen See, immer internationalisierter wird.
Unmittelbar an der Küste befinden sich die sogenannten inneren Gewässer und das Küstenmeer. Diese Gewässer sind ebenfalls Bestandteil des Staatsgebietes des betreffenden Landes und unterliegen grundsätzlich seiner Souveränität. Grundsätzlich - diese Einschränkung ist dadurch veranlaßt, dass bereits auf Grund von Gewohnheitsrecht, aber auch wegen Art. 17 SRÜ (Seerechtsübereinkommen von 1982) ein Recht zur friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer eines gegebenen Staates besteht (Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204).
Daran schließt sich, wie zu erwarten, die Anschlußzone an, und damit ist sozusagen die rote Linie überschritten, denn hier endet das Staatsgebiet des Küstenstaates, d.h. die Anschlußzone gehört nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates, sondern stellt vielmehr einen internationalen Gemeinschaftsraum dar, also einen Raum, der keiner staatlichen Gebietshoheit unterworfen ist (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 473).
Dass die Anschlußzone der Gebietshoheit des Küstenstaates entzogen ist, bedeutet nun aber nicht, dass der Staat hier keine besonderen Rechte hätte. Diese Zone ist vielmehr als eine Art Sicherheitszone zu sehen, denn der Staat ist hier befugt, Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisegesetze zu unterbinden. Denn wenn die Anschlußzone auch außerhalb des Staatsgebietes liegt, so können doch schädliche Folgen der Nichteinhaltung der genannten Vorschriften leicht auf das Staatsgebiet übergreifen.
Die letzte Sonderzone vor der Hohen See ist die ausschließliche Wirtschaftszone.
Sie ist ebenfalls ein internationaler Gemeinschaftsraum, in dem allerdings wiederum dem Küstenstaat gewisse Vorrechte zugestanden werden. Wie der Name schon sagt, beziehen sich diese Vorrechte auf wirtschaftliche Aktivitäten, und zwar genauer gesagt auf die Erforschung, Erhaltung, Bewirtschaftung und Ausbeutung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 482), also beispielsweise von Unterwasserpflanzen und Erdöllagerstätten. Nicht vorbehalten ist den Küstenstaaten dagegen die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen; dieses Recht steht vielmehr auch ortsfremden Akteuren zu (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 427).
Damit haben wir endlich die Hohe See erreicht und können die Freiheit der Meere genießen.

Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

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