Sonntag, 15. April 2012

Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Heute habe ich ein sehr praktisches Thema (Teil 3):

Die Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg
www.echr.coe.int

Dieses Rechtsinstrument ist so ähnlich wie eine Verfassungsbeschwerde, man kann sich damit gegen Grundrechtsverletzungen zur Wehr setzen. Allerdings sind Gegenstand einer EGMR-Beschwerde keine nationalen Grundrechte, wie sie beispielsweise im Art. 1 bis 20 des deutschen Grundgesetzes zu finden sind, sondern es geht um die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Grundrechte. Die EMRK gilt nicht nur in allen EU-Länder, sondern auch in Norwegen, der Schweiz, Russland, der Ukraine, der Türkei und weiteren europäischen Staaten. Folglich können gegen all diese Länder Beschwerden beim EGMR erhoben werden.

Die Einlegung einer solchen Beschwerde ist formal sehr einfach.
Zumindest am Anfang des Verfahrens braucht man keinen Anwalt, wobei es natürlich andererseits auch nicht verboten ist, sich gleich von Anfang anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Mit oder ohne Anwalt sollte man sich aber zunächst klar machen, ob eine eventuell ins Auge gefaßte Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.

Das führt uns zu unserer dritten Frage (zu den bisherigen Fragen siehe, bitte, die vorangegangenen Posts):


Was für Dokumente müssen bei der Beschwerdeeinlegung eingereicht werden?


Das vom Gerichtshof bereitgestellte, vom Beschwerdeführer auszufüllende Beschwerdeformular (Art. 47 Verfahrensordnung).

Beim Ausfüllen kann man sich jeder Amtssprache eines Vertragsstaates (siehe den - nicht-vollständigen - Überblick über die Vertragsstaaten in der Einleitung) bedienen.

Das Beschwerdeformular kann man sich von der Webseite des Gerichts unter folgenden Links herunterladen:

www.echr.coe.int/ECHR/FR/Header/Applicants/Apply+to+the+Court/Application+pack/

(Das Formular befindet sich unter der Überschrift "Allemand".)

www.echr.coe.int/ECHR/EN/Header/Applicants/Apply+to+the+Court/Application+pack/
(Das Formular befindet sich unter der Überschrift "German".)

Oder man fordert es beim Gericht unter folgender Adresse an:

Cour européenne des droits de l´homme
Conseil de l´Europe
67075 Strasbourg Cedex
Frankreich
Tel. + 33 (0) 388412018
Fax + 33 (0) 388412730


Falls man sich von einem Anwalt vertreten läßt, muß dieser eine Prozeßvollmacht vorlegen (Art. 45 Abs. 3 Verfahrensordnung).

Kopien der in der Sache ergangenen innerstaatlichen Gerichts- und Behördenentscheidungen.

Gegebenfalls weitere Unterlagen, die die Einhaltung der formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen belegen.

Dem Beschwerdeformular liegt eine Anleitung zur Beschwerdeeinlegung bei, in der alles näher erläutert wird.


Sehr geehrte Leserinnen und Leser, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit soweit!

Bitte, beachten Sie auch den folgenden, sehr wichtigen Hinweis:
Wie bei allen Rechtsthemen liegt der Teufel oft im Detail, außerdem ist jeder Fall anders. Deshalb muß ich darauf hinweisen, dass alle Posts, die sich mit der Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte befassen, nur einen äußerst groben und allgemeinen Überblick über die Materie geben sollen. Deshalb kann leider keine Haftung für etwaige Fehler oder Unvollständigkeiten übernommen werden. Bitte, wenden Sie sich im Bedarfsfall an einen Anwalt, eine Anwältin Ihres Vertrauens!

Bis zum nächsten Mal!


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

Donnerstag, 29. März 2012

Heute habe ich ein sehr praktisches Thema (Teil 2):

Die Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg
www.echr.coe.int

Dieses Rechtsinstrument ist so ähnlich wie eine Verfassungsbeschwerde, man kann sich damit gegen Grundrechtsverletzungen zur Wehr setzen. Allerdings sind Gegenstand einer EGMR-Beschwerde keine nationalen Grundrechte, wie sie beispielsweise im Art. 1 bis 20 des deutschen Grundgesetzes zu finden sind, sondern es geht um die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Grundrechte. Die EMRK gilt nicht nur in allen EU-Länder, sondern auch in Norwegen, der Schweiz, Russland, der Ukraine, der Türkei und weiteren europäischen Staaten. Folglich können gegen all diese Länder Beschwerden beim EGMR erhoben werden.

Die Einlegung einer solchen Beschwerde ist formal sehr einfach.
Zumindest am Anfang des Verfahrens braucht man keinen Anwalt, wobei es natürlich andererseits auch nicht verboten ist, sich gleich von Anfang anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Mit oder ohne Anwalt sollte man sich aber zunächst klar machen, ob eine eventuell ins Auge gefaßte Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.

Das führt uns zu unserer zweiten Frage (zur ersten Frage siehe, bitte, den vorigen Post):



Welche grundlegenden formalen Voraussetzungen müssen vorliegen, um eine Beschwerde einreichen zu können?


A) Beschwerdefrist

Die Beschwerdefrist beginnt mit der letztinstanzlichen innerstaatlichen Entscheidung in der fraglichen Rechtssache (Art. 35 Abs. 1 EMRK).
Es ist nämlich so, dass man, bevor man sich an den EGMR wenden kann, gegen den Rechtsakt (Verwaltungsakt, Gerichtsurteil, Gesetz, staatliche Unterlassung), durch den man sich in seinen Menschenrechten verletzt fühlt, den gesamten innerstaatlichen Rechtsweg durchlaufen haben muss.
Für Deutschland heißt das: Erst, wenn man auch vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, kann man Beschwerde beim EGMR einlegen.

Wann genau beginnt nun aber die Beschwerdefrist zu laufen?
Mit dem Tag der Zustellung der letztinstanzlichen innerstaatlichen Entscheidung.
Nehmen wir an, dies geschieht am 29.März 2012.

Wann endet dann die Frist?
Sechs Monate später, nämlich mit dem Ablauf des 29.Septembers 2012 (vgl. Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 35 Rn.59).


B) Anwaltliche Vertretung

Für die Einlegung der Beschwerde selbst ist anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben, aber durchaus zulässig (Art. 36 Abs. 1 VerfO = Verfahrensordnung).

Wenn dann aber die Beschwerde vom Gericht nicht gleich im Anfangsstadium für unzulässig erklärt wird, sondern dem beklagten Staat zugestellt wird, dann muß man sich ab diesem Zeitpunkt von einem Anwalt vertreten lassen (Art. 36 Abs. 2, 4 VerfO).

Ebenfalls besteht Anwaltszwang, wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt wird (Art. 36 Abs. 3, 4 VerfO). Eine mündliche Verhandlung kann auch schon zur Zulässigkeit angeordnet werden, und zwar im Kammerverfahren (Art. 54 Abs. 3 VerfO).

Wer kann als Anwalt beauftragt werden?
Es muß sich um einen Rechtsbeistand handeln, der in einem der Staaten, die der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten sind, zugelassen ist (Art. 36 Abs. 4a VerfO) und der Französisch oder Englisch zumindest hinreichend versteht (Art. 36 Abs. 5a VerfO), besser aber sich in einer dieser Sprachen ausdrücken kann (Art. 36 Abs. 5b VerfO).

Im nächsten Post sprechen wir dann darüber, wie man bei der Einlegung der Beschwerde vorzugehen hat.

Bis dann!


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de






Heute habe ich ein sehr praktisches Thema (Teil 1):

Die Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg
www.echr.coe.int

Dieses Rechtsinstrument ist so ähnlich wie eine Verfassungsbeschwerde, man kann sich damit gegen Grundrechtsverletzungen zur Wehr setzen. Allerdings sind Gegenstand einer EGMR-Beschwerde keine nationalen Grundrechte, wie sie beispielsweise im Art. 1 bis 20 des deutschen Grundgesetzes zu finden sind, sondern es geht um die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Grundrechte. Die EMRK gilt nicht nur in allen EU-Länder, sondern auch in Norwegen, der Schweiz, Russland, der Ukraine, der Türkei und weiteren europäischen Staaten. Folglich können gegen all diese Länder Beschwerden beim EGMR erhoben werden.

Die Einlegung einer solchen Beschwerde ist formal sehr einfach.
Zumindest am Anfang des Verfahrens braucht man keinen Anwalt, wobei es natürlich andererseits auch nicht verboten ist, sich gleich von Anfang anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Mit oder ohne Anwalt sollte man sich aber zunächst klar machen, ob eine eventuell ins Auge gefaßte Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.

Das führt uns zu unserer ersten Frage:


Gegen was für Maßnahmen kann man sich vor dem EGMR zur Wehr setzen?

Grundsätzlich gegen diejenigen staatlichen Maßnahmen, von denen man selbst und unmittelbar betroffen ist (statt vieler Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.65). Dann hat man im Sinne der EMRK "Opfereigenschaft".

Unmittelbar betroffen ist man in der Regel von Verwaltungsakten und Gerichtsurteilen.
In Ausnahmefällen sind aber auch Beschwerden gegen Gesetze zulassig, obwohl man von Gesetzen eigentlich nicht unmittelbar betroffen ist, weil sie ja in der Regel erst eines Vollzugsaktes bedürfen, um direkt gegen eine Person wirken zu können.
Derartige Ausnahmefälle liegen dann vor, wenn man schon durch die gesetzlich geschaffene Rechtslage in seinen Grundrechten verletzt wird (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4.Aufl., München, Basel, Wien 2009, § 13 Rn. 16).

Auch von dem Erfordernis der eigenen Betroffenheit gibt es Ausnahmen.
So können unter Umständen nahe Angehörige eines Opfers schwerster Menschenrechtsverletzungen Beschwerde gegen diese Menschenrechtsverletzungen einlegen, wenn das eigentliche Opfer bereits verstorben ist (Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.73-75).
Auch in der folgenden Situation können Hinterbliebene an Stelle des Verstorbenen Beschwerde einlegen: Gegen die mittlerweile verstorbene Person waren im Inland Gerichtsverfahren im Gange, und dadurch wird das gesellschaftliche Ansehen der Familie weiterhin beeinträchtigt
(Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.76).
Es gibt noch weitere Ausnahmen, aber deren Erörterung würde den Rahmen hier sprengen.

Das war es auch schon für heute.
Danke für Ihr Interesse, die Fortsetzung folgt in den nächsten Tagen.

Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

Sonntag, 11. September 2011

Eine Drehtüre für Griechenland?

Wir hatten uns hier im Blog ja schon einmal mit der juristischen Möglichkeit des Austritts eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Währungsunion beschäftigt.

Wie man hört, ist das Thema jetzt wieder aktuell geworden, denn einige EU-Staaten verlangen angesichts der anhaltenden Finanzkrise, dass Griechenland die Eurozone verlassen möge (vgl. die Meldung auf der Website des französischen Wirtschaftsmagazins L´Expansion , in französischer Sprache).

Gleichzeitig hat laut L´Expansion die EU-Kommission erklärt, dass der Vertrag von Lissabon keinen Austritt aus der Währungsunion vorsehe und dass die Mitgliedschaft in der Eurozone unwiderruflich sei.

Da anzunehmen ist, dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge (Art. 17 EUV) Art. 50 EUV kennt, der jedem Mitgliedstaat das Recht gibt, aus der Europäischen Union auszutreten, ist ihre Aussage wohl so zu verstehen, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht aus der Währungsunion austreten kann, ohne gleichzeitig auch aus der EU insgesamt auszutreten. Denn ein Austritt aus der EU würde den Austritt aus der Eurozone miteinschließen, da die Eurozone nur im Rahmen der EU existiert, oder anders ausgedrückt, die Eurozone eine Teilmenge der EU darstellt.
Somit ist also festzuhalten, dass ein Mitgliedstaat, der den Euro aufgeben will, dies nicht gesondert tun kann, sondern vielmehr ganz aus der EU austreten muss, eine Maßnahme, die kraft Art. 50 EUV ausdrücklich erlaubt ist.
Einen völligen Rückzug Griechenlands aus der EU wünscht aber niemand.

Wie also könnte dieses Dilemma gelöst werden?

Vielleicht so:

Griechenland tritt pro forma aus der EU aus, in der nächsten Sekunde aber gleich wieder ein, allerdings mit dem Vorbehalt, dass es genauso wie Dänemark und Großbritannien der Eurozone zumindest vorläufig fernbleiben wird.

Zwar erfolgt ein erneuter Beitritt eines zuvor ausgetretenen Landes gem. Art. 50 Abs. 5 EUV gemäß dem allgemeinen Beitrittsprozedere des Art. 49 EUV, das auch für erstmalige Beitrittsaspiranten gilt und sowohl einen positiven Beschluß des Rates und des Europäischen Parlaments als auch die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten vorsieht.

Dieses Verfahren scheint auf den ersten Blick sehr zeitaufwändig zu sein, so dass Griechenland nicht, wie oben vorgeschlagen, "in der nächsten Sekunde" wieder beitreten könnte.

Allerdings ist zu bedenken, dass sich abgesehen von der Zugehörigkeit zur Eurozone nichts an Griechenlands Mitgliedschaftsbedingungen ändern würde, es also diesbezüglich keiner neuen Verhandlungen bedürfte.

Deshalb könnten die oben genannten, in Art. 49 EUV vorgesehenen Entscheidungen der europäischen Gesetzgebungsorgane und der nationalen Parlamente schon vorab oder zumindest zugleich mit dem ja rein formalen Austritt Griechenlands aus der EU vorliegen, so dass das Land tatsächlich in der nächsten Sekunde schon wieder EU-, aber eben nicht mehr Eurozonenmitglied, wäre.

Anzumerken ist, dass die vorstehenden Überlegungen rein rechtstechnischer Natur sind und wirtschaftliche bzw. politische Bedenken hinsichtlich eines solchen Vorgehens hier nicht erörtert werden sollen.


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

Donnerstag, 2. Juni 2011

Vom Pariser Vertrag (1952) hin zur heutigen EU

Im letzten Beitrag wurden die Vorgängerorganisationen der EU beschrieben.
Heute wollen wir uns einen Überblick über die Entwicklung der sogenannten europäischen Integration vom Jahre 1952 bis heute unter dem Blickwinkel der Aufeinanderfolge bzw. des Nebeneinanders der Verträge, auf denen die Integration beruht, verschaffen.

1952 Pariser Vertrag
Durch diesen Vertrag gründen Frankreich, Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).

1957 Römische Verträge
Die oben genannten Staaten gründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Euratom.

1965 Fusionsvertrag
Die Organe der EGKS, der EWG und von Euratom werden zusammengelegt. Es gibt ab diesem Zeitpunkt also nur noch eine einzige Kommission, einen einzigen Gerichtshof, eine einzige Versammlung (Vorläufer des Parlaments) usw., die dann eben jeweils für alle drei Organisationen zuständig sind.

1973 Beitrittsverträge
Dänemark, Großbritannien und Irland treten den Europäischen Gemeinschaften bei.

1981 Beitrittsvertrag
Griechenland wird Mitglied der Europäischen Gemeinschaften.

1986 Beitrittsverträge
Spanien und Portugal treten den Europäischen Gemeinschaften bei.

1986 Einheitliche Europäische Akte
Damit wird der erste Schritt hin zu einer nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele verfolgenden Organisation getan.
Das zeigt sich unter anderem an einer Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und dem Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis bei bestimmten Ratsentscheidungen.

1993 Vertrag von Maastricht
Der mit der Einheitlichen Europäischen Akte begonnene Politisierungsprozeß wird fortgesetzt. Hier erscheint nun auch zum ersten Mal der Begriff der Europäischen Union, und zwar als Bezeichnung für den institutionellen Rahmen, der die EGKS, die EWG und Euratom beinhaltet.
Außerdem werden die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik europäisiert, allerdings verbleiben diese Bereiche dabei vorerst in der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Zwecks theoretischer Durchdringung dieser nunmehr heterogenen Organisationsstruktur wird das sogenannte Dreisäulen-Modell entwickelt, demzufolge die EU als Dach auf drei Säulen ruht, nämlich auf den immer schon supranational organisierten Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom), auf der Innen- und Justizpolitik und auf der Außenpolitik, wobei die beiden letztgenannten Säulen, wie gesagt, vorerst auf der Ebene der insoweit zusammenarbeitenden nationalen Regierungen verbleiben.
Ferner wird im Vertrag von Maastricht auch der Grundstein für die Währungsunion gelegt.

1995 Beitrittsverträge
Österreich, Schweden und Finnland werden Mitglieder der EU.

1999 Vertrag von Amsterdam
Dieser Vertrag bringt eher unbedeutende Weiterentwicklungen der im Vertrag von Maastricht vorgegebenen Entwicklung einer politischen Union.

2003 Vertrag von Nizza
In Nizza werden kleine Änderungen der Organisationsstruktur der EU vereinbart, die die bevorstehene territoriale Ausdehnung nach Osten erleichtern sollen.

2004 Beitrittsverträge
Es treten bei: Malta, Zypern, Slowenien, Ungarn, die Slowakei, Tschechien, Polen, Litauen, Lettland und Estland.

2007 Beitrittsverträge
Rumänien und Bulgarien treten bei.

2009 Vertrag von Lissabon
Der ursprünglich als Verfassung für die EU geplante Vertrag von Lissabon brachte das "Verschwinden" der Europäischen Gemeinschaften und die Auflösung des Dreisäulen-Modells mit sich. Letzteres bedeutet, dass die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik von der völkerrechtlichen auf die supranationale Ebene überführt wurden. Ferner wurde die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit im Rat zur Standardmethode bei der Abstimmung erklärt u.v.m.
Zum Vertrag von Lissabon gibt es natürlich noch viel mehr zu sagen.
Interessanter und brisanter könnte aber die weitere Entwicklung werden, denn die gegenwärtige Euro-Krise könnte ja zu einem Wendepunkt werden, der entweder weitere Integrationsschritte, etwa in Form der Abschaffung der nationalen Haushaltshoheit, oder aber eher das Gegenteil bringt ...


Autor: RA Sven Ringhof, www.prilaro.de


P.S.: Hinsichtlich des neu geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist der sehr informative Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Norbert Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, S.1398 ff. (Heft Nr. 20 vom 12.Mai 2011) sehr zu empfehlen.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Die Vorgänger der EU

Manche träumen von der Schaffung der "Vereinigten Staaten von Europa", andere möchten dagegen hinter den Vertrag von Maastricht (dazu mehr beim nächsten Mal, in zwei Wochen) zurückkehren ...

Verschaffen wir uns deshalb auf die Schnelle einen kurzen Überblick über die institutionelle Entwicklung der "europäischen" Integration von den Anfängen bis zum heutigen Tage!



Die Vorgängerorganisationen der EU


Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)

gegründet im Jahre 1952, beendet im Jahre 2002;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien


Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)

gegründet im Jahre 1957, umbenannt in Europäische Gemeinschaft (EG) im Jahre 1993, im Jahre 2009 in der Europäischen Union (EU) aufgegangen;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien


Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM)

gegründet im Jahre 1957, besteht formal weiter, faktische Integration in die EU;
Gründungsmitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Italien


Europäische Gemeinschaften

Sammelbezeichnung für EGKS, EWG und Euratom



Europäische Union (EU)

geschaffen im Jahre 1993 als Überbau für die Europäischen Gemeinschaften;
nimmt im Jahre 2009 die E(W)G in sich auf und wird verrechtlicht


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de




Dienstag, 3. Mai 2011

Die Europäische Zentralbank

Die Europäische Währungsunion kommt nicht zur Ruhe.
Grund genug für uns einen nüchternen, da rein juristischen, Blick auf das Herz der Währungsunion, die Europäische Zentralbank (EZB), zu werfen.



Die Europäische Zentralbank



Was ist die Europäische Zentralbank? Wo befindet sie sich?

Die EZB ist ein Organ der EU (Art. 13 Abs. 1 EUV). Ihr Sitz befindet sich in Frankfurt am Main.


Wie ist die Europäische Zentralbank intern aufgebaut?

Sie besteht aus dem
- sechsköpfigen Direktorium,
- dem Rat der Europäischen Zentralbank, dem das soeben erwähnte Direktorium und die
Präsidenten der Zentralbanken der Euro-Länder* angehören,
- dem Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank, dem der Präsident und der Vizepräsident
des Direktoriums sowie die Präsidenten aller nationalen Zentralbanken der EU, also auch
denjenigen der Länder, die den Euro noch nicht eingeführt haben, angehören.

So weit, so verständlich. Ein bißchen kompliziert wird es dadurch, dass es auch noch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gibt, das aus der EZB und allen nationalen Zentralbanken besteht (Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Seine vorrangige, wenn auch nicht ausschließliche Aufgabe ist die Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 und 3 AEUV). Ferner existiert auch noch das Eurosystem, gebildet aus der EZB und den Zentralbanken der Euro-Staaten*. Dem Eurosystem obliegt die Währungspolitik der Union (Art. 282 Abs. 1 Satz 2 AEUV).

* Länder, deren Währung der Euro ist:
Irland, Finnland, Estland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal,
Italien, Deutschland, Österreich, Slowakei, Slowenien, Griechenland, Zypern, Malta

Welche Aufgaben haben die Unterorgane der Europäischen Zentralbank?

Der Rat der Europäischen Zentralbank ist zuständig für die Festlegung der Geldpolitik.
Das Direktorium führt die Beschlüsse des EZB-Rates aus.
Wirtschaftlich gesehen gehört die EZB den nationalen Zentralbanken, denn sie sind die Eigentümer des Kapitals der EZB, das sich derzeit auf etwa 6 (?) Milliarden Euro beläuft.


Von wem werden die Mitglieder des Direktoriums ernannt?

Der Europäische Rat, d.h. die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, ernennen die Mitglieder des Direktoriums.
Die Präsidenten der nationalen Zentralbanken werden im Einklang mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften bestellt.


Wie wird im EZB-Rat abgestimmt?

Beschlüsse im EZB-Rat erfolgen mit einfacher Mehrheit.
Dabei wird in der Regel allen Stimmen der gleiche Wert beigemessen. Wenn Gegenstand der Abstimmung allerdings das EZB-eigene Kapital, die Übertragung von Währungsreserven oder die Verteilung von Gewinnen und Verlusten ist, dann werden die Stimmen gemäß der jeweiligen Anteile der nationalen Zentralbanken gewichtet, wobei die Mitglieder des Direktoriums ausnahmsweise nicht stimmberechtigt sind.


Ist es problematisch, dass die Europäische Zentralbank als Organ der EU bezeichnet wird?

Ausdrücklich als Organ der EU benannt wird die EZB erst seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.Dezember 2009.
Gleichzeitig behält sie aber ihre Rechtspersönlichkeit bei, sie bleibt also eine eigene juristische Person (Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV).
Diese Zwitterqualität ist ungewöhnlich, da die EU selbst auch eine juristische Person ist (Art. 47 EUV) und ihre Organe, ähnlich dem Mund oder den Händen eines Menschen, eigentlich dazu da sind, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen und auszuführen.
So ist in den Verträgen, d.h. im Vertrag über die Europäische Union, kurz EUV, und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV, auch ausdrücklich festgelegt, dass die Organe zur Verwirklichung der Ziele der EU beitragen müssen (Art. 13 EUV). Außerdem sind die Organe zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV).
Demgegenüber existieren aber gem. Art. 13 Abs. 3 EUV besondere Bestimmungen hinsichtlich der EZB. So legt Art. 282 Abs. 3 AEUV fest, dass die EZB bei der Ausübung ihrer Befugnisse unabhängig ist. Außerdem wird den nationalen Zentralbanken und der EZB, die zusammen das Europäische System der Zentralbanken bilden (Art. 282 Abs. 1 AEUV), das vorrangige Ziel vorgegeben, die Preisstabilität zu bewahren (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 AEUV).


Soll die Zusammensetzung des EZB-Rates in irgendeiner Weise reformiert werden?

Derzeit ist jedes Land durch den Präsidenten seiner nationalen Zentralbank im EZB-Rat ständig repräsentiert.
Mit dem Beitritt des 19. Staates zur Währungsunion (derzeitige Mitgliederzahl: 17) soll aber ein Rotationsprinzip eingeführt werden, wobei dann nicht mehr ständig alle nationalen Zentralbankpräsidenten einen Sitz im EZB-Rat hätten, sondern eben eine Rotation stattfinden soll.

So, das war die juristische Theorie. Die politische und wirtschaftliche Praxis läßt sich in den Medien verfolgen. Ob sich diese eher als Trauerspiel oder als Happy End erweisen wird, wird die Zukunft zeigen. Bis dann!


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de