Heute habe ich ein sehr praktisches Thema (Teil 1):
Die Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg
www.echr.coe.int
Dieses Rechtsinstrument ist so ähnlich wie eine Verfassungsbeschwerde, man kann sich damit gegen Grundrechtsverletzungen zur Wehr setzen. Allerdings sind Gegenstand einer EGMR-Beschwerde keine nationalen Grundrechte, wie sie beispielsweise im Art. 1 bis 20 des deutschen Grundgesetzes zu finden sind, sondern es geht um die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Grundrechte. Die EMRK gilt nicht nur in allen EU-Länder, sondern auch in Norwegen, der Schweiz, Russland, der Ukraine, der Türkei und weiteren europäischen Staaten. Folglich können gegen all diese Länder Beschwerden beim EGMR erhoben werden.
Die Einlegung einer solchen Beschwerde ist formal sehr einfach.
Zumindest am Anfang des Verfahrens braucht man keinen Anwalt, wobei es natürlich andererseits auch nicht verboten ist, sich gleich von Anfang anwaltlicher Hilfe zu bedienen.
Mit oder ohne Anwalt sollte man sich aber zunächst klar machen, ob eine eventuell ins Auge gefaßte Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg hat.
Das führt uns zu unserer ersten Frage:
Gegen was für Maßnahmen kann man sich vor dem EGMR zur Wehr setzen?
Grundsätzlich gegen diejenigen staatlichen Maßnahmen, von denen man selbst und unmittelbar betroffen ist (statt vieler Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.65). Dann hat man im Sinne der EMRK "Opfereigenschaft".
Unmittelbar betroffen ist man in der Regel von Verwaltungsakten und Gerichtsurteilen.
In Ausnahmefällen sind aber auch Beschwerden gegen Gesetze zulassig, obwohl man von Gesetzen eigentlich nicht unmittelbar betroffen ist, weil sie ja in der Regel erst eines Vollzugsaktes bedürfen, um direkt gegen eine Person wirken zu können.
Derartige Ausnahmefälle liegen dann vor, wenn man schon durch die gesetzlich geschaffene Rechtslage in seinen Grundrechten verletzt wird (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4.Aufl., München, Basel, Wien 2009, § 13 Rn. 16).
Auch von dem Erfordernis der eigenen Betroffenheit gibt es Ausnahmen.
So können unter Umständen nahe Angehörige eines Opfers schwerster Menschenrechtsverletzungen Beschwerde gegen diese Menschenrechtsverletzungen einlegen, wenn das eigentliche Opfer bereits verstorben ist (Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.73-75).
Auch in der folgenden Situation können Hinterbliebene an Stelle des Verstorbenen Beschwerde einlegen: Gegen die mittlerweile verstorbene Person waren im Inland Gerichtsverfahren im Gange, und dadurch wird das gesellschaftliche Ansehen der Familie weiterhin beeinträchtigt
(Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, München 2012, Art. 34 Rz.76).
Es gibt noch weitere Ausnahmen, aber deren Erörterung würde den Rahmen hier sprengen.
Das war es auch schon für heute.
Danke für Ihr Interesse, die Fortsetzung folgt in den nächsten Tagen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Donnerstag, 29. März 2012
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