Montag, 2. Februar 2009

IGH, Georgien, RF

IGH, Georgien gegen Russische Föderation, Antrag auf einstweilige Verfügung wegen Verletzung der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen der Rassendiskriminierung, Beschluß vom 15.Oktober 2008, Aktenzeichen 140

- Leitsätze (von mir verfaßt) -


Im August 2008 verklagte Georgien die Russische Föderation wegen angeblicher Verletzungen der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen der Rassendiskriminierung vor dem Internationalen Gerichtshof (www.icj-cij.org) und stellte einen Antrag auf Erlaß einstweiliger Anordnungen zum Schutz der von der genannten Konvention garantierten Rechte.
Daraufhin faßte das Gericht den Beschluß, beide Parteien zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dieser Konvention aufzufordern.
Nachfolgend finden sich von mir verfaßte Leitsätze zu dieser Entscheidung:


A) Entscheidungsgründe hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes im allgemeinen

a) Die Parteien müssen sich der Rechtsprechung des Gerichts unterworfen haben.

b) Im Falle des vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 41 des Statuts des Gerichts) muss die Zuständigkeit nicht definitiv bejaht sein; vielmehr genügt es, das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit prima facie glaubhaft zu machen.

c) Ein Streit über die Anwendbarkeit und Auslegung eines bestimmten Abkommens liegt auch dann vor, wenn die streitgegenständlichen Handlungen zugleich in den Anwendungsbereich anderer völkerrechtlicher Normen fallen.

d) Aus der Natur des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt es sich, dass eine Verbindung zwischen den Rechten, deren Schutz durch die vorläufigen Anordnungen gewährleistet werden soll, und dem Gegenstand des Hauptsacheverfahrens bestehen muss.

e) Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes können im Rahmen der Zuständigkeit des Gerichts nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die in den Anwendungsbereich des streitgegenständlichen Abkommens fallen.

f) Ferner muss, damit vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann, ein Verfügungsgrund vorliegen, also eine Dringlichkeit, die durch die tatsächliche Gefahr der Beeinträchtigung von Rechten einer der beiden Parteien, verursacht wird.

g) Eine Bejahung der Dringlichkeit setzt nicht voraus, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Verletzung der streitgegenständlichen Rechte definitiv festgestellt wird; vielmehr genügt es, dass die Umstände Schutzmaßnahmen hinsichtlich dieser Rechte erforderlich erscheinen lassen.

h) Gemäß Art.75 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht andere Maßnahmen als beantragt anordnen, dies sogar gegen den Antragsteller.

i) Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, die vom Gericht angeordnet werden, sind für die Parteien bindend.

j) Die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren präjudiziert hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens weder die Frage der Zuständigkeit noch der sonstigen Zulässigkeit noch der Begründetheit der Klage.

B) Entscheidungsgründe hinsichtlich der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung

a) Die Verpflichtungen aus der streitgegenständlichen Konvention binden einen Vertragsstaat auch bei Handlungen außerhalb des eigenen Territoriums.

b) Art. 22 der Konvention fordert seinem Wortlaut nach keine formellen Verhandlungen als Klagevoraussetzung; es genügt vielmehr, dass der Kläger das Gespräch mit der Gegenseite gesucht hat.

c) Vertragsstaaten der Konvention müssen Rassendiskriminierung auch dann unterbinden, wenn ihnen diese juristisch nicht zuzurechnen sind.


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, 01.Dezember 2008, www.prilaro.de


Nachtrag: Mittlerweile wurden hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens erste Termine festgesetzt. Die Frist für Georgien zur Einreichung eines Plädoyers endet demnach am 02.September 2009, die für die Russische Föderation am 02.Juli 2010.

07.Januar 2009

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