Wir hatten ja das letzte Mal gesehen, dass sich das Völkerrecht nicht nur in einer dem (Rechts-)Alltag normaler Menschen entzogenen, nur von Diplomaten bevölkerten Sphäre abspielt, sondern auch in Rechtsfällen, die zunächst rein innerstaatlich erscheinen, zum Tragen kommen kann.
Damals handelte es sich um gestohlene Kunstwerke, heute wollen wir einen kurzen Blick auf eine Situation werfen, in der es um Leben und Tod gehen kann und tatsächlich auch schon gegangen ist.
Die Rede ist von Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK (Wiener Konsularrechtsübereinkommen).
Dieser Klausel liegt die folgende Situation zu Grunde: Ein ausländischer Staatsangehöriger wird in einem bestimmten Staat festgenommen.
Dann sind die Behörden dieses Staates verpflichtet, das für den Verhafteten zuständige Konsulat über die Verhaftung zu informieren und Mitteilungen des Verhafteten an das Konsulat weiterzuleiten. Außerdem ist der Verhaftete dahingehend zu unterrichten, dass diese Rechte bzw. Pflichten bestehen.
Fraglich ist, oder besser gesagt, war, wer das Subjekt der genannten Rechte ist, die einzelne Person, die sich in Haft befindet, oder der Staat, dem sie angehört.
Verbunden damit war die Frage, welche juristischen Folgen ein Verstoß gegen diese Pflichten, die ja die Kehrseite der Rechte sind, hat.
Der Internationale Gerichtshof (IGH), das Gericht der UNO, hat in einem aufsehenerregenden Fall im Jahre 2001 diesbezüglich entschieden, dass ein Strafurteil, dem eine Festnahme vorausging, bei der die in Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK geforderten Belehrung unterblieben ist, einem Revisionsverfahren zugänglich sein muß (Esser, in: Ahlbrecht/Böhm/Esser/Hugger/Kirsch/Rosenthal, Internationales Strafrecht in der Praxis, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin 2008, S.111, 112).
Diese vom IGH geforderte tiefgreifende Einwirkung in das innerstaatliche Strafprozeßrecht eines fremden Staates zu Gunsten des Festgenommenen bzw. Verurteilten hat seine Grundlage nun ja in Art. 36 Abs. 1 lit.b, Abs. 2 WÜK. Aus eben dieser ursprünglich zwischenstaatlichen Vertragsklausel entspringt also ein subjektives justizielles Recht einer einzelnen Person. Mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben, also einem Recht des Heimatstaates des Betroffenen, hat das nichts mehr zu tun, vielmehr handelt es sich um Rechtsbeziehungen zwischen dem Verhafteten bzw. Verurteilten und dem Staat, dessen Justizorgane insoweit tätig wurden.
Aus diesem Umstand wird deutlich, dass Individuen hinsichtlich dieser Norm Rechtssubjekte sein können (vgl. Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Auflage, Tübingen 2008, S.168).
Warum aber beinhaltete der vom IGH entschiedene Fall die Frage nach Leben oder Tod?
Anlaß des IGH-Urteils war die bevorstehende Hinrichtung zweier deutscher Staatsangehöriger, die in den USA lebten. Bei ihrer Festnahme war die Belehrung gem. Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK unterblieben. Deshalb hatte der IGH eine einstweilige Anordnung erlassen, die die Aufschiebung der Hinrichtung forderte. Dem kamen die US-Behörden aber nicht nach, die Todesstrafe wurde vollstreckt.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Freitag, 18. Februar 2011
Freitag, 4. Februar 2011
Gestohlene Kulturgüter im Licht des Völkerrechts
Das Völkerrecht regelt nach herkömmlicher Auffassung das Recht zwischen Staaten.
In den letzten Jahrzehnten rückte dagegen zunehmend das Individuum ins Blickfeld des Völkerrechts. Dabei spielen aber hauptsächlich stark "politisierte" Rechtsbereiche wie die Gewährleistung von Menschenrechten eine Rolle.
Dass sich völkerrechtliche Regelungen aber auch auf eher unpolitische innerstaatliche Rechts- und Geschäftsbeziehungen auswirken können, zeigt unser heutiges Thema, nämlich der juristische Schutz gegen unrechtmäßigen grenzüberschreitenden Kunsthandel.
Wir wollen uns dabei auf die Fallkonstellation beschränken, bei der ein Kunstwerk gestohlen und dann im Ausland verkauft wird.
Welche völkerrechtlichen Rechtsquellen behandeln eine solche Situation?
Da wäre einmal das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahre 1970, dem bislang etwa 119 Staaten, darunter Deutschland, beigetreten sind.
Ein weiterer Vertrag, die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder illegal exportierte Kulturgüter stammt aus dem Jahre 1995, von Deutschland wurde diese Konvention allerdings nicht unterzeichnet.
Beide Übereinkommen sehen vor, dass der Besitzer eines (in einem anderen Land) gestohlenen Kulturgutes dieses auf Antrag des Ursprungsstaates zurückgeben muss. Die einschlägigen Regelungen beziehen sich wohl gemerkt nicht auf den Dieb, sondern auf einen nachrangigen Erwerber. Gutgläubigkeit macht den Erwerb nicht wirksam, gibt aber einen Anspruch auf Entschädigung (Art. 7 b Abs. 2 des Übereinkommens von 1970; Art. 3 Abs. 1, 2 der Konvention von 1995). Ein Eigentumsübergang findet also nicht statt, so dass ein Rückgabeanspruch besteht, der an § 985 BGB (Deutschland) erinnert.
Während das Übereinkommen von 1970 einen Anspruch auf Rückführung des gestohlenen Kunstwerkes nur für den Fall vorsieht, dass das Kunstwerk aus einer staatlichen Einrichtung entwendet worden ist, verzichtet die Konvention von 1995 auf diese Einschränkung, wie sich wohl aus Art. 3 ergibt.
Denn dessen Abs. 3, 4 und 8 regeln die Verjährungsfrist für den Rückgabeanspruch eines gestohlenen Kunstwerkes. Dabei legen Art. 4 und 8 eine besondere Verjährungsfrist für Diebstähle aus öffentlichen Sammlungen bzw. von Kultgegenständen autochthoner Völker fest. Art. 3 dagegen bestimmt die Verjährungsfrist für sonstige Diebstähle, ohne diese näher zu qualifizieren. Daraus kann geschlossen werden, dass der Rückgabeanspruch auch für solche Kunstgegenstände gilt, die Privatpersonen gestohlen worden sind.
Soweit ein kurzer Überblick über den Regelungsinhalt der völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Zum Ineinandergreifen von Völkerrecht und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten könnte angemerkt werden, dass die Normen der Vereinbarungen auf Rechtsbegriffen aufbauen, die vom nationalen Recht geprägt sind und bestimmt werden, insbesondere Diebstahl und Gutgläubigkeit.
Wahrscheinlich existieren derartige Rechtsinstitute in allen nationalen Rechtsordnungen in irgendeiner Form, aber hinsichtlich der konkreten Ausformung durch den jeweiligen Gesetzestext und noch mehr durch die dazu ergangene Rechtsprechung dürften nicht unerhebliche Unterschiede bestehen.
Deshalb könnte es vorkommen, dass der Vorgang des Abhandenkommens des streitgegenständlichen Kunstwerkes im Ursprungsstaat als Diebstahl gewertet wird, im Empfangsstaat aber nicht. Dann würden die Gerichte dieses Staates keinen Rückgabeanspruch gewähren, da in ihren Augen der Tatbestand der völkerrechtlichen Rückgabenorm nicht erfüllt wäre.
Denn anders als etwa im Europarecht (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unt. 2, 3 EUV) gibt es im allgemeinen Völkerrecht wohl keine generelle Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung internationaler Normen durch nationale Gerichte. Insbesondere hinsichtlich der Übernahme fremden öffentlichen Rechts hat sich auf internationaler Ebene noch keine abschließende, allgemein anerkannte Auffassung in dieser Richtung herausgebildet (vgl. Dolzer, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 575).
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
In den letzten Jahrzehnten rückte dagegen zunehmend das Individuum ins Blickfeld des Völkerrechts. Dabei spielen aber hauptsächlich stark "politisierte" Rechtsbereiche wie die Gewährleistung von Menschenrechten eine Rolle.
Dass sich völkerrechtliche Regelungen aber auch auf eher unpolitische innerstaatliche Rechts- und Geschäftsbeziehungen auswirken können, zeigt unser heutiges Thema, nämlich der juristische Schutz gegen unrechtmäßigen grenzüberschreitenden Kunsthandel.
Wir wollen uns dabei auf die Fallkonstellation beschränken, bei der ein Kunstwerk gestohlen und dann im Ausland verkauft wird.
Welche völkerrechtlichen Rechtsquellen behandeln eine solche Situation?
Da wäre einmal das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahre 1970, dem bislang etwa 119 Staaten, darunter Deutschland, beigetreten sind.
Ein weiterer Vertrag, die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder illegal exportierte Kulturgüter stammt aus dem Jahre 1995, von Deutschland wurde diese Konvention allerdings nicht unterzeichnet.
Beide Übereinkommen sehen vor, dass der Besitzer eines (in einem anderen Land) gestohlenen Kulturgutes dieses auf Antrag des Ursprungsstaates zurückgeben muss. Die einschlägigen Regelungen beziehen sich wohl gemerkt nicht auf den Dieb, sondern auf einen nachrangigen Erwerber. Gutgläubigkeit macht den Erwerb nicht wirksam, gibt aber einen Anspruch auf Entschädigung (Art. 7 b Abs. 2 des Übereinkommens von 1970; Art. 3 Abs. 1, 2 der Konvention von 1995). Ein Eigentumsübergang findet also nicht statt, so dass ein Rückgabeanspruch besteht, der an § 985 BGB (Deutschland) erinnert.
Während das Übereinkommen von 1970 einen Anspruch auf Rückführung des gestohlenen Kunstwerkes nur für den Fall vorsieht, dass das Kunstwerk aus einer staatlichen Einrichtung entwendet worden ist, verzichtet die Konvention von 1995 auf diese Einschränkung, wie sich wohl aus Art. 3 ergibt.
Denn dessen Abs. 3, 4 und 8 regeln die Verjährungsfrist für den Rückgabeanspruch eines gestohlenen Kunstwerkes. Dabei legen Art. 4 und 8 eine besondere Verjährungsfrist für Diebstähle aus öffentlichen Sammlungen bzw. von Kultgegenständen autochthoner Völker fest. Art. 3 dagegen bestimmt die Verjährungsfrist für sonstige Diebstähle, ohne diese näher zu qualifizieren. Daraus kann geschlossen werden, dass der Rückgabeanspruch auch für solche Kunstgegenstände gilt, die Privatpersonen gestohlen worden sind.
Soweit ein kurzer Überblick über den Regelungsinhalt der völkerrechtlichen Vereinbarungen.
Zum Ineinandergreifen von Völkerrecht und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten könnte angemerkt werden, dass die Normen der Vereinbarungen auf Rechtsbegriffen aufbauen, die vom nationalen Recht geprägt sind und bestimmt werden, insbesondere Diebstahl und Gutgläubigkeit.
Wahrscheinlich existieren derartige Rechtsinstitute in allen nationalen Rechtsordnungen in irgendeiner Form, aber hinsichtlich der konkreten Ausformung durch den jeweiligen Gesetzestext und noch mehr durch die dazu ergangene Rechtsprechung dürften nicht unerhebliche Unterschiede bestehen.
Deshalb könnte es vorkommen, dass der Vorgang des Abhandenkommens des streitgegenständlichen Kunstwerkes im Ursprungsstaat als Diebstahl gewertet wird, im Empfangsstaat aber nicht. Dann würden die Gerichte dieses Staates keinen Rückgabeanspruch gewähren, da in ihren Augen der Tatbestand der völkerrechtlichen Rückgabenorm nicht erfüllt wäre.
Denn anders als etwa im Europarecht (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unt. 2, 3 EUV) gibt es im allgemeinen Völkerrecht wohl keine generelle Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung internationaler Normen durch nationale Gerichte. Insbesondere hinsichtlich der Übernahme fremden öffentlichen Rechts hat sich auf internationaler Ebene noch keine abschließende, allgemein anerkannte Auffassung in dieser Richtung herausgebildet (vgl. Dolzer, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 575).
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Donnerstag, 20. Januar 2011
Ein juristischer Ausflug ans Kaspische Meer
Spränge man mit Siebenmeilenstiefeln durch die Meere, Flüsse und Seen der Welt wie durch Pfützen und machte man vom Mittelmeer einen Schritt nach Osten und dann einen weiteren kleinen Schritt nach Osten, so würde man ins Kaspische Meer gelangen.
Trotz dieses Namens handelt es sich aber möglicherweise um kein Meer, sondern um den größten und einen der tiefsten Seen der Welt.
Wie ein Meer kann es allerings mit gleich fünf Anrainerstaaten aufwarten; diese sind Kasachstan, Turkmenistan, der Iran, Aserbeidschan und Russland.
Sein Reichtum an Fischbeständen und Erdgas läßt das Herz seiner Uferstaaten höher schlagen, macht aber eine einvernehmliche und allseits akzeptable Aufteilung seiner Flächen und Ressourcen zu einer schwierigen Aufgabe.
Die juristische Unterscheidung zwischen einem See und einem Meer hat bedeutende Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen den Uferstaaten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle Rechte gebietsfremder Staaten.
So gehören Seen zum Staatsgebiet eines bestimmten Staates und unterfallen seiner souveränen Hoheitsgewalt (statt vieler: Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Dieses Prinzip gilt auch für Grenzseen, natürlich mit der Maßgabe, dass der See bzw. die Hoheitsgewalt über ihn zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt werden muss, was zumeist entlang der Mittellinie oder entlang der Hauptschiffahrtsrinne, des sogenannten Talweges, erfolgt (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Im konkreten Fall hat Russland vorgeschlagen, den Boden den Kaspischen Meeres zwecks Rohstoffausbeute zwischen den Uferstaaten aufzuteilen, während die Wasseroberfläche von ihnen gemeinsam genutzt werden soll.
Das Meer dagegen ist ein Raum, der juristisch gesehen von außen nach innen, oder anders ausgedrückt von den Ufern hin zur Hohen See, immer internationalisierter wird.
Unmittelbar an der Küste befinden sich die sogenannten inneren Gewässer und das Küstenmeer. Diese Gewässer sind ebenfalls Bestandteil des Staatsgebietes des betreffenden Landes und unterliegen grundsätzlich seiner Souveränität. Grundsätzlich - diese Einschränkung ist dadurch veranlaßt, dass bereits auf Grund von Gewohnheitsrecht, aber auch wegen Art. 17 SRÜ (Seerechtsübereinkommen von 1982) ein Recht zur friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer eines gegebenen Staates besteht (Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204).
Daran schließt sich, wie zu erwarten, die Anschlußzone an, und damit ist sozusagen die rote Linie überschritten, denn hier endet das Staatsgebiet des Küstenstaates, d.h. die Anschlußzone gehört nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates, sondern stellt vielmehr einen internationalen Gemeinschaftsraum dar, also einen Raum, der keiner staatlichen Gebietshoheit unterworfen ist (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 473).
Dass die Anschlußzone der Gebietshoheit des Küstenstaates entzogen ist, bedeutet nun aber nicht, dass der Staat hier keine besonderen Rechte hätte. Diese Zone ist vielmehr als eine Art Sicherheitszone zu sehen, denn der Staat ist hier befugt, Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisegesetze zu unterbinden. Denn wenn die Anschlußzone auch außerhalb des Staatsgebietes liegt, so können doch schädliche Folgen der Nichteinhaltung der genannten Vorschriften leicht auf das Staatsgebiet übergreifen.
Die letzte Sonderzone vor der Hohen See ist die ausschließliche Wirtschaftszone.
Sie ist ebenfalls ein internationaler Gemeinschaftsraum, in dem allerdings wiederum dem Küstenstaat gewisse Vorrechte zugestanden werden. Wie der Name schon sagt, beziehen sich diese Vorrechte auf wirtschaftliche Aktivitäten, und zwar genauer gesagt auf die Erforschung, Erhaltung, Bewirtschaftung und Ausbeutung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 482), also beispielsweise von Unterwasserpflanzen und Erdöllagerstätten. Nicht vorbehalten ist den Küstenstaaten dagegen die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen; dieses Recht steht vielmehr auch ortsfremden Akteuren zu (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 427).
Damit haben wir endlich die Hohe See erreicht und können die Freiheit der Meere genießen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
Trotz dieses Namens handelt es sich aber möglicherweise um kein Meer, sondern um den größten und einen der tiefsten Seen der Welt.
Wie ein Meer kann es allerings mit gleich fünf Anrainerstaaten aufwarten; diese sind Kasachstan, Turkmenistan, der Iran, Aserbeidschan und Russland.
Sein Reichtum an Fischbeständen und Erdgas läßt das Herz seiner Uferstaaten höher schlagen, macht aber eine einvernehmliche und allseits akzeptable Aufteilung seiner Flächen und Ressourcen zu einer schwierigen Aufgabe.
Die juristische Unterscheidung zwischen einem See und einem Meer hat bedeutende Auswirkungen auch auf die wirtschaftliche Nutzung des Gewässers, und dies nicht nur im Verhältnis zwischen den Uferstaaten, sondern auch im Hinblick auf eventuelle Rechte gebietsfremder Staaten.
So gehören Seen zum Staatsgebiet eines bestimmten Staates und unterfallen seiner souveränen Hoheitsgewalt (statt vieler: Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Dieses Prinzip gilt auch für Grenzseen, natürlich mit der Maßgabe, dass der See bzw. die Hoheitsgewalt über ihn zwischen den Anrainerstaaten aufgeteilt werden muss, was zumeist entlang der Mittellinie oder entlang der Hauptschiffahrtsrinne, des sogenannten Talweges, erfolgt (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204). Im konkreten Fall hat Russland vorgeschlagen, den Boden den Kaspischen Meeres zwecks Rohstoffausbeute zwischen den Uferstaaten aufzuteilen, während die Wasseroberfläche von ihnen gemeinsam genutzt werden soll.
Das Meer dagegen ist ein Raum, der juristisch gesehen von außen nach innen, oder anders ausgedrückt von den Ufern hin zur Hohen See, immer internationalisierter wird.
Unmittelbar an der Küste befinden sich die sogenannten inneren Gewässer und das Küstenmeer. Diese Gewässer sind ebenfalls Bestandteil des Staatsgebietes des betreffenden Landes und unterliegen grundsätzlich seiner Souveränität. Grundsätzlich - diese Einschränkung ist dadurch veranlaßt, dass bereits auf Grund von Gewohnheitsrecht, aber auch wegen Art. 17 SRÜ (Seerechtsübereinkommen von 1982) ein Recht zur friedlichen Durchfahrt fremder Schiffe durch das Küstenmeer eines gegebenen Staates besteht (Hailbronner/Kau, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 204).
Daran schließt sich, wie zu erwarten, die Anschlußzone an, und damit ist sozusagen die rote Linie überschritten, denn hier endet das Staatsgebiet des Küstenstaates, d.h. die Anschlußzone gehört nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates, sondern stellt vielmehr einen internationalen Gemeinschaftsraum dar, also einen Raum, der keiner staatlichen Gebietshoheit unterworfen ist (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 473).
Dass die Anschlußzone der Gebietshoheit des Küstenstaates entzogen ist, bedeutet nun aber nicht, dass der Staat hier keine besonderen Rechte hätte. Diese Zone ist vielmehr als eine Art Sicherheitszone zu sehen, denn der Staat ist hier befugt, Verstöße gegen seine Zoll-, Gesundheits- und Einreisegesetze zu unterbinden. Denn wenn die Anschlußzone auch außerhalb des Staatsgebietes liegt, so können doch schädliche Folgen der Nichteinhaltung der genannten Vorschriften leicht auf das Staatsgebiet übergreifen.
Die letzte Sonderzone vor der Hohen See ist die ausschließliche Wirtschaftszone.
Sie ist ebenfalls ein internationaler Gemeinschaftsraum, in dem allerdings wiederum dem Küstenstaat gewisse Vorrechte zugestanden werden. Wie der Name schon sagt, beziehen sich diese Vorrechte auf wirtschaftliche Aktivitäten, und zwar genauer gesagt auf die Erforschung, Erhaltung, Bewirtschaftung und Ausbeutung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen (Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 9.Aufl., Tübingen 2008, S. 482), also beispielsweise von Unterwasserpflanzen und Erdöllagerstätten. Nicht vorbehalten ist den Küstenstaaten dagegen die Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen; dieses Recht steht vielmehr auch ortsfremden Akteuren zu (Proelß, in: Vitzthum, Völkerrecht, 5.Aufl., Berlin/New York 2010, S. 427).
Damit haben wir endlich die Hohe See erreicht und können die Freiheit der Meere genießen.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de
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Montag, 2. Februar 2009
IGH, Georgien, RF
IGH, Georgien gegen Russische Föderation, Antrag auf einstweilige Verfügung wegen Verletzung der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen der Rassendiskriminierung, Beschluß vom 15.Oktober 2008, Aktenzeichen 140
- Leitsätze (von mir verfaßt) -
- Leitsätze (von mir verfaßt) -
Im August 2008 verklagte Georgien die Russische Föderation wegen angeblicher Verletzungen der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen der Rassendiskriminierung vor dem Internationalen Gerichtshof (www.icj-cij.org) und stellte einen Antrag auf Erlaß einstweiliger Anordnungen zum Schutz der von der genannten Konvention garantierten Rechte.
Daraufhin faßte das Gericht den Beschluß, beide Parteien zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dieser Konvention aufzufordern.
Nachfolgend finden sich von mir verfaßte Leitsätze zu dieser Entscheidung:
Daraufhin faßte das Gericht den Beschluß, beide Parteien zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dieser Konvention aufzufordern.
Nachfolgend finden sich von mir verfaßte Leitsätze zu dieser Entscheidung:
A) Entscheidungsgründe hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes im allgemeinen
a) Die Parteien müssen sich der Rechtsprechung des Gerichts unterworfen haben.
b) Im Falle des vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 41 des Statuts des Gerichts) muss die Zuständigkeit nicht definitiv bejaht sein; vielmehr genügt es, das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit prima facie glaubhaft zu machen.
c) Ein Streit über die Anwendbarkeit und Auslegung eines bestimmten Abkommens liegt auch dann vor, wenn die streitgegenständlichen Handlungen zugleich in den Anwendungsbereich anderer völkerrechtlicher Normen fallen.
d) Aus der Natur des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt es sich, dass eine Verbindung zwischen den Rechten, deren Schutz durch die vorläufigen Anordnungen gewährleistet werden soll, und dem Gegenstand des Hauptsacheverfahrens bestehen muss.
e) Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes können im Rahmen der Zuständigkeit des Gerichts nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die in den Anwendungsbereich des streitgegenständlichen Abkommens fallen.
f) Ferner muss, damit vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann, ein Verfügungsgrund vorliegen, also eine Dringlichkeit, die durch die tatsächliche Gefahr der Beeinträchtigung von Rechten einer der beiden Parteien, verursacht wird.
g) Eine Bejahung der Dringlichkeit setzt nicht voraus, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Verletzung der streitgegenständlichen Rechte definitiv festgestellt wird; vielmehr genügt es, dass die Umstände Schutzmaßnahmen hinsichtlich dieser Rechte erforderlich erscheinen lassen.
h) Gemäß Art.75 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht andere Maßnahmen als beantragt anordnen, dies sogar gegen den Antragsteller.
i) Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, die vom Gericht angeordnet werden, sind für die Parteien bindend.
j) Die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren präjudiziert hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens weder die Frage der Zuständigkeit noch der sonstigen Zulässigkeit noch der Begründetheit der Klage.
B) Entscheidungsgründe hinsichtlich der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung
a) Die Verpflichtungen aus der streitgegenständlichen Konvention binden einen Vertragsstaat auch bei Handlungen außerhalb des eigenen Territoriums.
b) Art. 22 der Konvention fordert seinem Wortlaut nach keine formellen Verhandlungen als Klagevoraussetzung; es genügt vielmehr, dass der Kläger das Gespräch mit der Gegenseite gesucht hat.
c) Vertragsstaaten der Konvention müssen Rassendiskriminierung auch dann unterbinden, wenn ihnen diese juristisch nicht zuzurechnen sind.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, 01.Dezember 2008, www.prilaro.de
Nachtrag: Mittlerweile wurden hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens erste Termine festgesetzt. Die Frist für Georgien zur Einreichung eines Plädoyers endet demnach am 02.September 2009, die für die Russische Föderation am 02.Juli 2010.
07.Januar 2009
Vielen Dank, dass Sie diesen Text gelesen haben. Sie können ihn unter folgenden Bedingungen auch vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglichmachen.
a) Die Parteien müssen sich der Rechtsprechung des Gerichts unterworfen haben.
b) Im Falle des vorläufigen Rechtsschutzes (Art. 41 des Statuts des Gerichts) muss die Zuständigkeit nicht definitiv bejaht sein; vielmehr genügt es, das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit prima facie glaubhaft zu machen.
c) Ein Streit über die Anwendbarkeit und Auslegung eines bestimmten Abkommens liegt auch dann vor, wenn die streitgegenständlichen Handlungen zugleich in den Anwendungsbereich anderer völkerrechtlicher Normen fallen.
d) Aus der Natur des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt es sich, dass eine Verbindung zwischen den Rechten, deren Schutz durch die vorläufigen Anordnungen gewährleistet werden soll, und dem Gegenstand des Hauptsacheverfahrens bestehen muss.
e) Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes können im Rahmen der Zuständigkeit des Gerichts nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die in den Anwendungsbereich des streitgegenständlichen Abkommens fallen.
f) Ferner muss, damit vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann, ein Verfügungsgrund vorliegen, also eine Dringlichkeit, die durch die tatsächliche Gefahr der Beeinträchtigung von Rechten einer der beiden Parteien, verursacht wird.
g) Eine Bejahung der Dringlichkeit setzt nicht voraus, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Verletzung der streitgegenständlichen Rechte definitiv festgestellt wird; vielmehr genügt es, dass die Umstände Schutzmaßnahmen hinsichtlich dieser Rechte erforderlich erscheinen lassen.
h) Gemäß Art.75 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht andere Maßnahmen als beantragt anordnen, dies sogar gegen den Antragsteller.
i) Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes, die vom Gericht angeordnet werden, sind für die Parteien bindend.
j) Die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren präjudiziert hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens weder die Frage der Zuständigkeit noch der sonstigen Zulässigkeit noch der Begründetheit der Klage.
B) Entscheidungsgründe hinsichtlich der Internationalen Konvention zur Eliminierung aller Formen von Rassendiskriminierung
a) Die Verpflichtungen aus der streitgegenständlichen Konvention binden einen Vertragsstaat auch bei Handlungen außerhalb des eigenen Territoriums.
b) Art. 22 der Konvention fordert seinem Wortlaut nach keine formellen Verhandlungen als Klagevoraussetzung; es genügt vielmehr, dass der Kläger das Gespräch mit der Gegenseite gesucht hat.
c) Vertragsstaaten der Konvention müssen Rassendiskriminierung auch dann unterbinden, wenn ihnen diese juristisch nicht zuzurechnen sind.
Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, 01.Dezember 2008, www.prilaro.de
Nachtrag: Mittlerweile wurden hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens erste Termine festgesetzt. Die Frist für Georgien zur Einreichung eines Plädoyers endet demnach am 02.September 2009, die für die Russische Föderation am 02.Juli 2010.
07.Januar 2009
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