Donnerstag, 2. Juni 2011

Vom Pariser Vertrag (1952) hin zur heutigen EU

Im letzten Beitrag wurden die Vorgängerorganisationen der EU beschrieben.
Heute wollen wir uns einen Überblick über die Entwicklung der sogenannten europäischen Integration vom Jahre 1952 bis heute unter dem Blickwinkel der Aufeinanderfolge bzw. des Nebeneinanders der Verträge, auf denen die Integration beruht, verschaffen.

1952 Pariser Vertrag
Durch diesen Vertrag gründen Frankreich, Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).

1957 Römische Verträge
Die oben genannten Staaten gründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Euratom.

1965 Fusionsvertrag
Die Organe der EGKS, der EWG und von Euratom werden zusammengelegt. Es gibt ab diesem Zeitpunkt also nur noch eine einzige Kommission, einen einzigen Gerichtshof, eine einzige Versammlung (Vorläufer des Parlaments) usw., die dann eben jeweils für alle drei Organisationen zuständig sind.

1973 Beitrittsverträge
Dänemark, Großbritannien und Irland treten den Europäischen Gemeinschaften bei.

1981 Beitrittsvertrag
Griechenland wird Mitglied der Europäischen Gemeinschaften.

1986 Beitrittsverträge
Spanien und Portugal treten den Europäischen Gemeinschaften bei.

1986 Einheitliche Europäische Akte
Damit wird der erste Schritt hin zu einer nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele verfolgenden Organisation getan.
Das zeigt sich unter anderem an einer Stärkung der Rolle des Europäischen Parlaments und dem Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis bei bestimmten Ratsentscheidungen.

1993 Vertrag von Maastricht
Der mit der Einheitlichen Europäischen Akte begonnene Politisierungsprozeß wird fortgesetzt. Hier erscheint nun auch zum ersten Mal der Begriff der Europäischen Union, und zwar als Bezeichnung für den institutionellen Rahmen, der die EGKS, die EWG und Euratom beinhaltet.
Außerdem werden die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik europäisiert, allerdings verbleiben diese Bereiche dabei vorerst in der intergouvernementalen Zusammenarbeit. Zwecks theoretischer Durchdringung dieser nunmehr heterogenen Organisationsstruktur wird das sogenannte Dreisäulen-Modell entwickelt, demzufolge die EU als Dach auf drei Säulen ruht, nämlich auf den immer schon supranational organisierten Gemeinschaften (EGKS, EWG, Euratom), auf der Innen- und Justizpolitik und auf der Außenpolitik, wobei die beiden letztgenannten Säulen, wie gesagt, vorerst auf der Ebene der insoweit zusammenarbeitenden nationalen Regierungen verbleiben.
Ferner wird im Vertrag von Maastricht auch der Grundstein für die Währungsunion gelegt.

1995 Beitrittsverträge
Österreich, Schweden und Finnland werden Mitglieder der EU.

1999 Vertrag von Amsterdam
Dieser Vertrag bringt eher unbedeutende Weiterentwicklungen der im Vertrag von Maastricht vorgegebenen Entwicklung einer politischen Union.

2003 Vertrag von Nizza
In Nizza werden kleine Änderungen der Organisationsstruktur der EU vereinbart, die die bevorstehene territoriale Ausdehnung nach Osten erleichtern sollen.

2004 Beitrittsverträge
Es treten bei: Malta, Zypern, Slowenien, Ungarn, die Slowakei, Tschechien, Polen, Litauen, Lettland und Estland.

2007 Beitrittsverträge
Rumänien und Bulgarien treten bei.

2009 Vertrag von Lissabon
Der ursprünglich als Verfassung für die EU geplante Vertrag von Lissabon brachte das "Verschwinden" der Europäischen Gemeinschaften und die Auflösung des Dreisäulen-Modells mit sich. Letzteres bedeutet, dass die Innen- bzw. Justizpolitik und die Außenpolitik von der völkerrechtlichen auf die supranationale Ebene überführt wurden. Ferner wurde die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit im Rat zur Standardmethode bei der Abstimmung erklärt u.v.m.
Zum Vertrag von Lissabon gibt es natürlich noch viel mehr zu sagen.
Interessanter und brisanter könnte aber die weitere Entwicklung werden, denn die gegenwärtige Euro-Krise könnte ja zu einem Wendepunkt werden, der entweder weitere Integrationsschritte, etwa in Form der Abschaffung der nationalen Haushaltshoheit, oder aber eher das Gegenteil bringt ...


Autor: RA Sven Ringhof, www.prilaro.de


P.S.: Hinsichtlich des neu geschaffenen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist der sehr informative Aufsatz von Herrn Prof. Dr. Norbert Horn, Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, NJW 2011, S.1398 ff. (Heft Nr. 20 vom 12.Mai 2011) sehr zu empfehlen.