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Sonntag, 11. September 2011

Eine Drehtüre für Griechenland?

Wir hatten uns hier im Blog ja schon einmal mit der juristischen Möglichkeit des Austritts eines Mitgliedstaates aus der Europäischen Währungsunion beschäftigt.

Wie man hört, ist das Thema jetzt wieder aktuell geworden, denn einige EU-Staaten verlangen angesichts der anhaltenden Finanzkrise, dass Griechenland die Eurozone verlassen möge (vgl. die Meldung auf der Website des französischen Wirtschaftsmagazins L´Expansion , in französischer Sprache).

Gleichzeitig hat laut L´Expansion die EU-Kommission erklärt, dass der Vertrag von Lissabon keinen Austritt aus der Währungsunion vorsehe und dass die Mitgliedschaft in der Eurozone unwiderruflich sei.

Da anzunehmen ist, dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge (Art. 17 EUV) Art. 50 EUV kennt, der jedem Mitgliedstaat das Recht gibt, aus der Europäischen Union auszutreten, ist ihre Aussage wohl so zu verstehen, dass ein EU-Mitgliedstaat nicht aus der Währungsunion austreten kann, ohne gleichzeitig auch aus der EU insgesamt auszutreten. Denn ein Austritt aus der EU würde den Austritt aus der Eurozone miteinschließen, da die Eurozone nur im Rahmen der EU existiert, oder anders ausgedrückt, die Eurozone eine Teilmenge der EU darstellt.
Somit ist also festzuhalten, dass ein Mitgliedstaat, der den Euro aufgeben will, dies nicht gesondert tun kann, sondern vielmehr ganz aus der EU austreten muss, eine Maßnahme, die kraft Art. 50 EUV ausdrücklich erlaubt ist.
Einen völligen Rückzug Griechenlands aus der EU wünscht aber niemand.

Wie also könnte dieses Dilemma gelöst werden?

Vielleicht so:

Griechenland tritt pro forma aus der EU aus, in der nächsten Sekunde aber gleich wieder ein, allerdings mit dem Vorbehalt, dass es genauso wie Dänemark und Großbritannien der Eurozone zumindest vorläufig fernbleiben wird.

Zwar erfolgt ein erneuter Beitritt eines zuvor ausgetretenen Landes gem. Art. 50 Abs. 5 EUV gemäß dem allgemeinen Beitrittsprozedere des Art. 49 EUV, das auch für erstmalige Beitrittsaspiranten gilt und sowohl einen positiven Beschluß des Rates und des Europäischen Parlaments als auch die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten vorsieht.

Dieses Verfahren scheint auf den ersten Blick sehr zeitaufwändig zu sein, so dass Griechenland nicht, wie oben vorgeschlagen, "in der nächsten Sekunde" wieder beitreten könnte.

Allerdings ist zu bedenken, dass sich abgesehen von der Zugehörigkeit zur Eurozone nichts an Griechenlands Mitgliedschaftsbedingungen ändern würde, es also diesbezüglich keiner neuen Verhandlungen bedürfte.

Deshalb könnten die oben genannten, in Art. 49 EUV vorgesehenen Entscheidungen der europäischen Gesetzgebungsorgane und der nationalen Parlamente schon vorab oder zumindest zugleich mit dem ja rein formalen Austritt Griechenlands aus der EU vorliegen, so dass das Land tatsächlich in der nächsten Sekunde schon wieder EU-, aber eben nicht mehr Eurozonenmitglied, wäre.

Anzumerken ist, dass die vorstehenden Überlegungen rein rechtstechnischer Natur sind und wirtschaftliche bzw. politische Bedenken hinsichtlich eines solchen Vorgehens hier nicht erörtert werden sollen.


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

Dienstag, 3. Mai 2011

Die Europäische Zentralbank

Die Europäische Währungsunion kommt nicht zur Ruhe.
Grund genug für uns einen nüchternen, da rein juristischen, Blick auf das Herz der Währungsunion, die Europäische Zentralbank (EZB), zu werfen.



Die Europäische Zentralbank



Was ist die Europäische Zentralbank? Wo befindet sie sich?

Die EZB ist ein Organ der EU (Art. 13 Abs. 1 EUV). Ihr Sitz befindet sich in Frankfurt am Main.


Wie ist die Europäische Zentralbank intern aufgebaut?

Sie besteht aus dem
- sechsköpfigen Direktorium,
- dem Rat der Europäischen Zentralbank, dem das soeben erwähnte Direktorium und die
Präsidenten der Zentralbanken der Euro-Länder* angehören,
- dem Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank, dem der Präsident und der Vizepräsident
des Direktoriums sowie die Präsidenten aller nationalen Zentralbanken der EU, also auch
denjenigen der Länder, die den Euro noch nicht eingeführt haben, angehören.

So weit, so verständlich. Ein bißchen kompliziert wird es dadurch, dass es auch noch das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gibt, das aus der EZB und allen nationalen Zentralbanken besteht (Art. 282 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Seine vorrangige, wenn auch nicht ausschließliche Aufgabe ist die Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 und 3 AEUV). Ferner existiert auch noch das Eurosystem, gebildet aus der EZB und den Zentralbanken der Euro-Staaten*. Dem Eurosystem obliegt die Währungspolitik der Union (Art. 282 Abs. 1 Satz 2 AEUV).

* Länder, deren Währung der Euro ist:
Irland, Finnland, Estland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal,
Italien, Deutschland, Österreich, Slowakei, Slowenien, Griechenland, Zypern, Malta

Welche Aufgaben haben die Unterorgane der Europäischen Zentralbank?

Der Rat der Europäischen Zentralbank ist zuständig für die Festlegung der Geldpolitik.
Das Direktorium führt die Beschlüsse des EZB-Rates aus.
Wirtschaftlich gesehen gehört die EZB den nationalen Zentralbanken, denn sie sind die Eigentümer des Kapitals der EZB, das sich derzeit auf etwa 6 (?) Milliarden Euro beläuft.


Von wem werden die Mitglieder des Direktoriums ernannt?

Der Europäische Rat, d.h. die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten, ernennen die Mitglieder des Direktoriums.
Die Präsidenten der nationalen Zentralbanken werden im Einklang mit ihren jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften bestellt.


Wie wird im EZB-Rat abgestimmt?

Beschlüsse im EZB-Rat erfolgen mit einfacher Mehrheit.
Dabei wird in der Regel allen Stimmen der gleiche Wert beigemessen. Wenn Gegenstand der Abstimmung allerdings das EZB-eigene Kapital, die Übertragung von Währungsreserven oder die Verteilung von Gewinnen und Verlusten ist, dann werden die Stimmen gemäß der jeweiligen Anteile der nationalen Zentralbanken gewichtet, wobei die Mitglieder des Direktoriums ausnahmsweise nicht stimmberechtigt sind.


Ist es problematisch, dass die Europäische Zentralbank als Organ der EU bezeichnet wird?

Ausdrücklich als Organ der EU benannt wird die EZB erst seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.Dezember 2009.
Gleichzeitig behält sie aber ihre Rechtspersönlichkeit bei, sie bleibt also eine eigene juristische Person (Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV).
Diese Zwitterqualität ist ungewöhnlich, da die EU selbst auch eine juristische Person ist (Art. 47 EUV) und ihre Organe, ähnlich dem Mund oder den Händen eines Menschen, eigentlich dazu da sind, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen und auszuführen.
So ist in den Verträgen, d.h. im Vertrag über die Europäische Union, kurz EUV, und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV, auch ausdrücklich festgelegt, dass die Organe zur Verwirklichung der Ziele der EU beitragen müssen (Art. 13 EUV). Außerdem sind die Organe zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EUV).
Demgegenüber existieren aber gem. Art. 13 Abs. 3 EUV besondere Bestimmungen hinsichtlich der EZB. So legt Art. 282 Abs. 3 AEUV fest, dass die EZB bei der Ausübung ihrer Befugnisse unabhängig ist. Außerdem wird den nationalen Zentralbanken und der EZB, die zusammen das Europäische System der Zentralbanken bilden (Art. 282 Abs. 1 AEUV), das vorrangige Ziel vorgegeben, die Preisstabilität zu bewahren (Art. 282 Abs. 2 Satz 2 AEUV).


Soll die Zusammensetzung des EZB-Rates in irgendeiner Weise reformiert werden?

Derzeit ist jedes Land durch den Präsidenten seiner nationalen Zentralbank im EZB-Rat ständig repräsentiert.
Mit dem Beitritt des 19. Staates zur Währungsunion (derzeitige Mitgliederzahl: 17) soll aber ein Rotationsprinzip eingeführt werden, wobei dann nicht mehr ständig alle nationalen Zentralbankpräsidenten einen Sitz im EZB-Rat hätten, sondern eben eine Rotation stattfinden soll.

So, das war die juristische Theorie. Die politische und wirtschaftliche Praxis läßt sich in den Medien verfolgen. Ob sich diese eher als Trauerspiel oder als Happy End erweisen wird, wird die Zukunft zeigen. Bis dann!


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de