Montag, 19. Juli 2010

Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vor dem IGH: Jetzt wird es spannend!

Einleitung

Im Februar des Jahres 2008 hatte bekanntlich das Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien ausgerufen. Auf Initiative Belgrads beantragte daraufhin die Generalversammlung der Vereinten Nationen beim Internationalen Gerichtshof ein Gutachten hinsichtlich der Frage, ob die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo gegen das Völkerrecht verstößt.
Am Donnerstag, den 22.Juli soll nun die Entscheidung des Gerichts verkündet werden.

Vorgeschichte

Im Zentrum der Meinungsverschiedenheiten zwischen Befürwortern und Kritikern der Unabhängigkeitserklärung steht die Resolution des UN-Sicherheitsrates Nr. 1244 aus dem Jahre 1999. Darin war festgelegt worden, dass das Kosovo bis zur endgültigen Klärung der Statusfrage internationaler Verwaltung unterstellt werden sollte.
Im Jahre 2005 begannen unter Leitung eines Sondergesandten des UN-Generalsekretärs entsprechende Verhandlungen, die aber zu keiner Einigung führten. Dennoch sprachen sich der UN-Generalsekretär und sein Sondergesandter für die Sezession des Kosovo aus. Im UN-Sicherheitsrat konnte diesbezüglich aber kein einheitlicher Standpunkt erzielt werden. Nichtsdestotrotz erklärte sich das Kosovo im Februar des Jahres 2008 zur unabhängigen Republik Kosovo.

Kontroverse Rechtsansichten

Doch von welcher Institution wurde das Kosovo hinsichtlich der Unabhängigkeitserklärung repräsentiert?
Mit dieser Frage ist auch schon einer der Streitpunkte des vorliegenden Verfahrens angesprochen.
Nach Ansicht Serbiens war es das von den das Kosovo verwaltenden internationalen Einrichtungen geschaffene provisorische Parlament des Kosovo, das die Unabhängigkeit erklärt hatte. Dazu hatte dieses Gremium nach Ansicht Serbiens aber keine interne Kompetenz.
Die Verteidiger der Unabhängigkeitserklärung halten dem entgegen, dass nicht das erwähnte vorläufige Parlament, sondern vielmehr eine ad hoc eingerichtete Versammlung von Repräsentanten des Volkes Urheber der Unabhängigkeitserklärung sei.
Diese sei auch nicht an die UN-Resolution 1244 gebunden, so dass, selbst wenn die Resolution die einseitig beschlossene Loslösung des Kosovo von Serbien verbieten würde, was aber bestritten wird, die Unabhängigkeitserklärung nicht zu beanstanden wäre.
Belgrad seinerseits vertritt den Standpunkt, dass auch eine solche spezielle Versammlung der Volksrepräsentanten Normadressatin der Resolution 1244 sei, und diese Resolution behalte die Entscheidung über die Statusfrage dem UN-Sicherheitsrat vor.
Ferner ist die Gegenseite der Ansicht, dass Unabhängigkeitserklärungen und Sezessionen von vorneherein nicht dem Völkerrecht unterlägen.

Ausblick

Diese und weitere, über den konkreten Fall hinausgehende, grundsätzliche Rechtsfragen wie beispielsweise die nach der Existenz eines Sezessionsrecht auf Grund von behaupteten Menschenrechtsverletzungen durch den Mutterstaates oder das Problem der Aufrechterhaltung der territorialen Integrität von Staaten, deren Teilgebiete unter UN-Verwaltung gestellt werden, lassen eine äußerst interessante Gerichtsentscheidung erwarten.
Am Donnerstag wissen wir mehr!


Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

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