Freitag, 7. Januar 2011

Wird die WTO bald um einen ganzen Kontinent reicher?

Der Präsident des Weltfußballverbandes, der FIFA, hat Russland anläßlich der Vergabe der WM 2018 einen "ganzen Kontinent" genannt.
Da dieser "ganze Kontinent" möglicherweise in diesem Jahr der Welthandelsorganisation (WTO) beitreten wird, würde sich vielleicht ein näherer Blick auf diese Institution lohnen.

Zweck der WTO ist es, durch zwischenstaatliche Abkommen den ungehinderten Welthandel zu ermöglichen. Die dementsprechende Regulierung durch die WTO umfaßt
- den Handel mit Gütern (General Agreement on Tariffs and
Trades/GATT)
- den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade with Services/GATS)
- die handelsrelevanten Aspekte geistiger Eigentumsrechte (Trade Related Aspects of Intellectual Property/TRIPS).
Im Rahmen der genannten Übereinkommen existiert eine Vielzahl von Vereinbarungen zu einzelnen Fragen.
Grundlegende Prinzipien der dadurch geschaffenen Welthandelsordnung sind die Meistbegünstigung (Art. I Gatt, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS) und die Inländerbehandlung (Art. III GATT, Art. XVII GATS, Art. 3 Abs. 1 TRIPS).
Meistbegünstigung bedeutet, dass diejenigen Handelsvorteile, die ein bestimmtes Land einem Drittland gewährt, auch allen anderen Vertragsparteien gewährt werden müssen.
Unter Inländerbehandlung versteht man die Pflicht, Importwaren hinsichtlich des Absatzes keinen ungünstigeren Rechtsvorschriften zu unterwerfen als einheimische Waren.

Der dauerhaften Durchsetzung dieses Regelwerkes dient das Streitbeilegungssystem, das durch ein entsprechendes ständiges Organ (Dispute Settlement Body, Art. IV Abs. 3 WTO-Abkommen) geleitet wird.
Dieser Streitbeilegungsmechanismus sieht Verhandlungslösungen (Art. 4f. DSU), aber auch ein klageähnliches Verfahren (Art. 4 Abs. 7, 6, 7, 8 Abs. 5, 12, 16, 17 DSU) vor.

Um auf Russland zurückzukommen, so beabsichtigt es, der WTO nicht alleine beitreten, sondern zusammen mit Kasachstan und Weißrussland, mit denen es eine Zollunion errichtet hat.
Gem. Art. XII Abs. 1 WTO-Abkommen können neben Staaten auch gesonderte Zollgebiete Mitglied der WTO werden, sofern sie gegenüber ihren eigenen Mitgliedstaaten die volle Kompetenz für Außenhandelsbeziehungen und die übrigen WTO-Angelegenheiten besitzen.
Das bislang einzige Beispiel für ein überstaatliches WTO-Mitglied ist die EU. Sie verfügt gem. Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV über die ausschließliche Kompetenz hinsichtlich der Gemeinsamen (Außen-)Handelspolitik (GHP). Vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ergab sich diese Zuständigkeit aus der Rechtsprechung des EuGH (Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3.Aufl., München 2010, S.150).

Was Russland, Weißrussland und Kasachstan betrifft, so war allerdings auch die Rede davon, dass diese Länder, formal gesehen, auch einzeln in die WTO einzutreten könnten, dies aber zur gleichen Zeit und zu gleichen Bedingungen (vgl. http://ru.wikipedia.org/wiki/Всемирная_торговая_организация, Abschnitt Россия и ВТО, Stand: 6.Jan. 2011).

Für die Zeit nach dem Beitritt statuiert Art. XXIV Abs. 5 WTO-Übereinkommen das Recht der WTO-Vertragsparteien, regionale Zollunionen und Freihandelszonen zu unterhalten.

Autor: Rechtsanwalt Sven Ringhof, www.prilaro.de

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